Antibiotika – die Wunderwaffe gegen Bakterieninfektionen

Die Entdeckung der Antibiotika revolutionierte die Medizingeschichte. Erfolgt der Einsatz allerdings zu häufig auch bei harmlosen Krankheitsbildern, können Bakterien Resistenzen entwickeln.

Die vielleicht beste medizinische Entwicklung unserer Zeit

Die Bilanz: im Laufe der Jahre haben Antibiotika Millionen von Menschen das Leben gerettet. Noch heute liegt der Marktanteil bei circa 13% aller verschriebenen Medikamente. Krankenkassen schätzen, dass alleine in Deutschland jedes Jahr 1.500 Tonnen Antibiotika eingenommen werden, das entspricht umgerechnet einer 5-tägigen Antibiotika-Einnahme jedes Deutschen pro Jahr.

Antibiotika werden nach zwei Wirkweisen unterschieden: bakteriostatisch (Bakterien werden an der Vermehrung gehindert) und bakterizid (Bakterien werden abgetötet). Das Besondere an Antibiotika ist, dass sie ausschließlich gegen Bakterien wirken, ohne die menschlichen Zellen anzugreifen. Das geht deshalb, weil Bakterien anders aufgebaut sind als Körperzellen. Ein Antibiotikum kann entweder gegen einzelne Bakterienstämme wirken (so genannte Schmalbandspektrum-Antibiotika) oder gegen viele Bakterienstämmen gleichzeitig (so genannte Breitbandspektrum-Antibiotika).

Mythos Einnahmedauer: es gibt neue Erkenntnisse

Lange Zeit war man der Auffassung, dass Antibiotika eine gute Allzweckwaffe gegen alle Infektionen sind. Um sicherzustellen, dass kein Bakterium überlebt, wurden Patienten aufgefordert, ihre Antibiotika immer bis zum Packungsende einzunehmen. Die Argumentation lautete, dass sich geschwächte Bakterien bei vorzeitigem Abbruch wieder erholen und anpassen könnten. Somit wären die Bakterien bei der nächsten Einnahme gewappnet, d.h. das Antibiotikum wäre in Zukunft unwirksam.

Heute weiß man, dass neben der viel zu häufigen Verschreibung auch die meist zu lange Einnahmedauer zu Resistenzen geführt hat. Bakterien, die während einer Therapie nicht abgetötet oder im Wachstum gehemmt werden, sind in der Regel weniger empfindlich als andere Bakterien und können sich nun besonders gut vermehren, da ihre Antibiotika-empfindlicheren Artgenossen ausgeschaltet wurden.

Das betrifft übrigens auch sämtliche weitere Bakterien im Körper, die ebenfalls angegriffen werden. Nur die besonders starken überleben. Hinzu kommt, dass Bakterien ihr Erbgut schnell verändern können und Abwehreigenschaften entwickeln, die sie gegen Antibiotika widerstandsfähig machen. Kombiniert man nun die ohnehin weniger empfindlichen Bakterien mit deren mutierenden weiter vererblichen Eigenschaften, können resistente Bakterien entstehen, gegen die ein Antibiotikum machtlos ist.

Wenn diese sogar gegen mehrere Antibiotika widerstandsfähig sind, spricht man auch von multiresistenten Erregern. Mittlerweile gibt es nicht nur multiresistente Bakterien, sondern auch sogenannte “Supererreger”, die gegen sämtliche Antibiotika immun sind. 2005 haben sich bereits drei Millionen Europäer mit solchen Super-Bakterien infiziert, die mit herkömmlichen Medikamenten nicht mehr behandelt werden konnten. Normalerweise werden gegen besonders schwere bakterielle Infektionen Reserveantibiotika eingesetzt. Hierbei handelt es sich um Breitbandantibiotika mit dem Spitznamen “Panzerschrank-Antibiotika”, weil sie einerseits extrem wirksam, andererseits aber auch hinsichtlich ihrer Nebenwirkungen extrem risikoreich sind. Ein prominentes Beispiel sind Fluorchinolone wie Ciprofloxacin, die derzeit kontrovers diskutiert werden. Doch bereits heute gibt es Mutanten unter den Bakterien, die nur mit neuer Wirkstoffforschung bekämpft werden können.

Beispiele von resistenten Bakterien

Bekannte resistente Bakterien gehören zum Beispiel zur Gruppe der Staphylokokken, die Lungenentzündungen und Blutvergiftungen auslösen können. Meistens fängt der Krankheitsverlauf mit einer lokalen Infektion an, beispielsweise mit einer Verletzung am Finger oder Fuß, durch welche Bakterien über die Blutbahn in den gesamten Körper gelangen können. Ein bekannter Erreger ist der methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), welcher die Nase, den Hals und den Darm befallen kann und als “Klinik-Erreger” vielerorts den Verantwortlichen Schweißperlen auf die Stirn treibt.

Weitere resistente Bakterien stammen aus der Gruppe der Enterokokken, die Nieren-, Gallenwegs- und Bauchfellentzündungen verursachen. In diesem Zusammenhang sind auch vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) bekannt geworden, die ebenfalls häufig in Krankenhäusern vorkommen. Generell sind zwei von drei Bakterien in Kliniken bereits gegen ein oder mehrere Antibiotika resistent.

Was können wir jetzt noch gegen die Resistenzen tun?

Damit wir Antibiotika auch noch in den nächsten Jahrzehnten als medizinische Wunderwaffe einsetzen können, muss vor allem die Verschreibung drastisch eingeschränkt werden. Es wird geschätzt, dass bei einem von fünf Krankheitsfällen wie Erkältung oder Grippe ein Antibiotikum vom Arzt verordnet wird, obwohl es sich um eine Virusinfektionen handelt. Weil Antibiotika bekanntermaßen nur gegen Bakterien und nicht gegen Viren wirken, ist die Behandlung in solch einem Fall also nicht nur erfolglos, sondern sogar schädlich.

In vielen Fällen wäre auch ein spezifisches Schmalband-Antibiotikum, das gezielt gegen einen Bakterienstamm wirkt, die bessere Wahl als ein Breitband-Antibiotikum. In den meisten Antibiotika-Verschreibungen wird beispielsweise kein Bakterientest (in der Fachsprache: Antibiogramm) gemacht, obwohl das oftmals zur Verschreibung eines anderen, wirksameren Medikamentes führen würde. Zusätzlich muss die Einnahmedauer und Dosierung eines Antibiotikums auf die Therapie abgestimmt sein. Die Pauschalaussage, dass das Medikament immer bis zum Packungsende genommen werden muss, ist schlichtweg falsch.

Vielerorts wird auch die mangelnde Hygiene in Kliniken, Alten-und Pflegeheimen kritisiert, die leider zum großen Teil zu resistenten Bakterien beigetragen hat. Weil dort naturgemäß viele Antibiotika eingesetzt werden, können sich ohnehin resistente Keime besonders schnell verbreiten.

Ein sorgfältiger Umgang mit Antibiotika ist sehr wichtig und kann nachweislich auch Resistenzen wieder verringern. Um in Zukunft schneller aus der Anwendung von Antibiotika zu lernen, ist es ebenfalls wichtig, dass alle auftretenden Nebenwirkungen umgehend an den Hersteller gemeldet werden (Sie können das hier schnell und einfach tun). Nur so lässt sich schnell genug erkennen, wenn ein Antibiotikum neben beeinträchtigenden Nebenwirkungen auch zu Resistenzen von Bakterien führt – und die Verantwortlichen der Arzneimittelsicherheit können frühzeitiger Gegenmaßnahmen ergreifen.

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