Antiepileptika Nebenwirkungen

Antiepileptika: Weniger Nebenwirkungen bei neueren Wirkstoffen?

Epilepsie-Patienten müssen konsequent Medikamente einnehmen, die das Risiko eines Krampfanfalls minimieren. Die Bereitschaft, sich an den vorgeschriebenen Einnahmeplan zu halten, ist aber stark abhängig von möglichen Nebenwirkungen. Neueren Wirkstoffen eilt der Ruf voraus, dass diese tendenziell weniger Nebenwirkungen auslösen. Eine Studie hat dies nun untersucht.

Was ist Epilepsie?

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung des Gehirns. Durch eine vorübergehende Fehlfunktion von Nervenzellen der Hirnrinde werden gleichzeitig und unkontrolliert eine Vielzahl elektrischer Impulse abgefeuert, die zu Krampfanfällen führen. Dann spricht man von epileptischen Anfällen.

Epileptische Anfälle können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Je nachdem, von welchen Arealen im Gehirn diese Impulse ausgehen und wie sie sich über die Hirnrinde ausbreiten, können Patienten nur ein Zucken oder Kribbeln in einigen Muskeln – möglicherweise verbunden mit einer nur Sekunden dauernden geistigen Abwesenheit (sogenannte Absence) – verspüren, während bei anderen sich nahezu alle Muskeln verkrampfen, heftige Zuckungen den ganzen Körper erschüttern und eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit auftritt.

Dabei können sich die Patienten durch unkontrollierten Sturz schwer verletzen. Klassisch ist auch der Biss in die eigene Zunge, der bluten kann und den ebenfalls typischen Schaum vor dem Mund rosa färbt.

Unkontrollierter Harn-, sehr selten auch Stuhlabgang sind ebenfalls möglich. Der Patient hat an einen solchen “großen Krampfanfall” (Grand Mal) keine Erinnerung; es besteht eine sogenannte retrograde Amnesie.Die Ursachen solcher Fehlfunktionen des Gehirns sind vielfältig.

Wie entsteht Epilepsie?

In Deutschland sind auf 1000 Bürger zwischen fünf und neun Menschen betroffen, also fast jeder Hunderste. Tatsächlich erkranken Kinder sowie Personen jenseits des 60. Lebensjahrs häufiger an Epilepsie als jüngere Erwachsene Grundsätzlich kann eine Epilepsie aber in jedem Lebensalter auftreten.

Einerseits geht man davon aus, dass Vorerkrankungen des Gehirns (z. B. eine Missbildung im Gehirn, eine Narbe nach einer Hirnverletzung, ein Schlaganfall, eine Hirnhautentzündung, ein Hirntumor oder auch eine schwere Gehirnerschütterung) eine Epilepsie begünstigen können. Andererseits scheint es auch teils unbekannte Faktoren zu geben, und auch eine genetische Veranlagung kann nicht ausgeschlossen werden. Auch “besondere Umstände” wie Schlafmangel, Alkoholentzug, Vergiftungen, hohes Fieber oder auch pulsierende Lichtreize beispielsweise durch eine Lichtorgel in einer Diskothek können Krampfanfälle auslösen – insbesondere bei Patienten mit bestehender Epilepsie, aber auch als sogenannte Gelegenheitskrämpfe bei Nicht-Epileptikern. Das heißt im Umkehrschluss, dass Epileptiker solche besonderen Umstände, die Anfälle triggern können, tunlichst vermeiden sollten.

Welche Behandlung einer Epilepsie ist möglich?

Um Epilepsien zu behandeln, werden Medikamente eingesetzt. Solche Antiepileptika oder Antikonvulsiva (Medikamente gegen Konvulsionen = Krämpfe) müssen regelmäßig in einer vorgeschriebenen Dosis eingenommen werden, um Krampfanfälle zu verhindern. Ob eine Epilepsie medikamentös behandlungsbedürftig ist, hängt von ihrem Erscheinungsbild und der Häufigkeit ihres Auftretens ab. In der Regel erfolgt eine Behandlung spätestens dann, wenn mehr als zwei belastende Anfälle pro Jahr auftreten.

Manche Anfälle wirken auf Anwesende dramatisch. Ein einzelner Anfall ist nicht gefährlich für das Gehirn und hört üblicherweise nach ein bis zwei Minuten von selbst wieder auf. Es besteht allerdings ein gewisses Verletzungsrisiko.

Sehr selten kommt es dabei zu einem Herz-Kreislaufversagen („Sudden unexpected death of epilepsy patients“, SUDEP, plötzlicher unerwarteter Todesfall bei Epilepsie). Dies ist der Grund, warum eine Epilepsie auch bei seltenen Anfällen behandelt werden sollte.

Zum Glück ebenfalls nicht häufig – aber potenziell lebensgefährlich – sind Anfälle von längerer Dauer und Anfallsserien (Status epilepticus). Hier kann das Gehirn Schaden nehmen.

Antiepileptika – Nebenwirkungen und Wechselwirkungen

Viele Patienten brechen Therapien ab, weil sie an Neben- oder Wechselwirkungen leiden. Das ist aber grundsätzlich gefährlich, denn ohne die Medikamenteneinnahme können unberechenbare Krampfanfälle auftreten – z. B. auch beim Autofahren. Hierzu gelten ohnehin besondere Vorschriften: Wer epileptische Anfälle erleidet, ist nicht in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen, solange ein Risiko für wiederholte Anfälle besteht. Für die Beurteilung der Fahreignung sind nach der Diagnose Epilepsie oder nach einem einmaligen Anfall Untersuchungen beim behandelnden Facharzt in jährlichen Abständen erforderlich. Bei einer langjährigen Anfallsfreiheit können die zeitlichen Abstände zwischen den Untersuchungen verlängert werden.

Um die Abbruchrate bei der antikonvulsiven Therapie zu minimieren, werden inzwischen neuere Wirkstoffe bevorzugt, die insgesamt ein geringeres chemisches Interaktionspotential mit anderen Medikamenten haben und somit auch weniger Wechselwirkungen auslösen. Dazu gehören z. B. Gabapentin (z.B. Neurontin) und Pregabalin (z.B. Lyrica), Levetiacetam (z.B. Keppra) oder auch Topiramat (z.B. Topamax)

Mögliche Wechselwirkungen bei Antiepileptika

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind insbesondere bei den älteren Antiepileptika möglich. Dazu gehören vor allem:

  • Carbamazepin (z.B. Finlepsin, Tegretal, Timonil)
  • Penytoin (z.B. Epanutin, Phenhydan)
  • Phenobarbital (z.B. Luminal)
  • Valproinsäure (z.B. Ergenyl, Leptilan, Orfiril, Valproat)
  • Sultiam (z.B. Ospolot)

Carbamazepin, Phenytoin und Phenobarbital führen zu einer verstärkten Bildung und Wirkung von medikamenten-abbauenden Enzymen (Cytochrom P450) in der Leber, wodurch die Wirkung anderer Arzneimittel, die dem selben Abbaumechanismus unterliegen, vermindert wird.

Davon betroffen sind alle östrogenhaltigen Medikamente zur hormonellen Schwangerschaftsverhütung (Kontrazeptiva), also “die Pille”. Ebenso vermindert wird die Wirkung mancher Zytostatika (Krebsmittel) und Immunsuppressiva wie Methotrexat (MTX) oder Ciclosporin (Arzneimittel zur Unterdrückung der überschießenden Immunreaktion bei Autoimmunerkrankungen, die sich gegen eigenes Gewebe oder Organe richtet, wie z.B. Gelenkrheuma, Schuppenflechte, Lupus, entzündliche, mit Geschwürbildung einhergehende Dickdarmerkrankung/Colitis ulcerosa).

Valproinsäure und Sultiam hingegen führen zu einer Enzymhemmung, wodurch der Abbau anderer Medikamente verzögert wird und es leicht zu Überdosierungs- und sogar Vergiftungserscheinungen kommen kann.

Umgekehrt ist aber auch zu beachten, dass bei gleichzeitiger Einnahme anderer Medikamente die Wirksamkeit des Antiepileptikums nachteilig beeinflusst wird, indem es zu rasch oder zu langsam abgebaut wird. Um zu niedrige Medikamentenspiegel im Blut mit mangelhafter Wirkung oder eine toxische Kumulation mit Vergiftungserscheinungen zu vermeiden, ist es wichtig, dass Patienten, die an einer behandlungsbedürftigen Epilepsie leiden, ihrem Arzt alle Arzneimittel (auch nicht-rezeptpflichtige, beispielsweise pflanzliche Medikamente), die sie einnehmen, mitteilen.

Mögliche Nebenwirkungen von Antiepileptika

Wie bei allen Medikamenten können auch unter der Einnahme von Antiepileptika, auch der modernen mit geringerem Interaktionspotenzial Nebenwirkungen auftreten.

Dazu gehören z. B.:

  • Schwindel
  • Kopfschmerzen
  • Benommenheit
  • Doppeltsehen
  • Müdigkeit
  • Konzentrationsstörungen
  • Herzrhythmusstörungen
  • Zahnfleischwucherung (sog. Gingivahyperplasie, speziell bei Phenytoin)

Neue Studienergebnisse zu Antiepileptika der Glasgow-Kohorte

Forscher der Universität Glasgow, Schottland, haben in einer Studie untersucht, ob die neueren Wirkstoffe tatsächlich weniger unerwünschte Arzneimittelwirkungen als die älteren Vergleichspräprate hervorrufen.

Dazu wurden insgesamt rund 1800 Patient*innen zwischen Juli 1982 und Oktober 2012 beobachtet, bei denen am Epilepsiezentrum Glasgow eine Epilepsie neu diagnostiziert und die mit Medikamenten behandelt wurde. Die Studienteilnehmer*innen wurden nach Diagnosestellung alle 2 bis 6 Wochen untersucht, im weiteren Verlauf alle 4 Monate. Hierbei dokumentierten die Ärzte unerwünschte Wirkungen und die Ursache von Therapieabbrüchen. Auch nach Ende der Studie wurden die Patient*innen noch weiter beobachtet.

Die Teilnehmer*innen waren im Durchschnitt 33 Jahre alt und zu 54 % männlichen Geschlechts. Während der Studie wurden etwa 3200 Antiepileptika verordnet. 15,6 % der Behandelten brachen die Therapie innerhalb der ersten sechs Monate aufgrund von Nebenwirkungen ab.

Tatsächlich brachen Erwachsene die Medikamenteneinnahme häufiger ab als Kinder und Jugendliche. Patient*innen, die schon vor Beginn der Therapie mehr als fünf Anfälle hatten, zeigten ein höheres Risiko für Nebenwirkungen. Je häufiger die Medikamente gewechselt oder je mehr unterschiedliche Wirkstoffe eingenommen wurden, desto mehr stieg das Risiko an, Nebenwirkungen zu erleiden.

Die Teilnehmer*innen gaben als Abbruchgrund vor allem Nebenwirkungen im Bereich des zentralen Nervensystems an, wie Schwindel und starke Schläfrigkeit. Seltener genannt wurden psychische Gründe, Hautirritationen und Magen-Darm-Probleme. Am häufigsten wurden Therapien mit Oxcarbamazepin (z.B. Trimox, Trileptal) und Topiramat (Topiramax) abgebrochen, am seltensten die Therapie mit Lamotrigin (z.B. Lamictal).

Während der Studiendauer wurden im Laufe der Jahre immer häufiger die neueren Antiepileptika verordnet. Zu Beginn 1982 waren es nur 22,3 %, zum Ende bereits knapp 70 %.

Dennoch konnten j keine statistisch relevanten Unterschiede bei der Anzahl der Therapieabbrüche festgestellt werden – egal ob ein älterer oder neuerer Wirkstoff eingenommen worden war. Obwohl also die Verordnungen neuer Wirkstoffe zunahmen, wurde die Anzahl der Abbrüche insgesamt nicht weniger.

Sonderfall: Antiepileptika während der Schwangerschaft

Während der Schwangerschaft ist für Frauen mit Epilepsie vor allem ein Gesichtspunkt wichtig: die richtige Einstellung der Antikonvulsiva. Wenn diese gegeben ist, bringen auch Epilepsie-Patientinnen in mehr als 90 % der Fälle ein gesundes Kind zur Welt.

Rund zwei Drittel der Frauen mit Epilepsie haben in der Schwangerschaft genauso oft Anfälle wie zuvor. Zu einer veränderten Anfallshäufigkeit können schwangerschaftsbedingte Veränderungen im Stoffwechsel und Hormonhaushalt beitragen, aber auch eine veränderte Leber- und Nierenfunktion, Schlafmangel oder psychischer Stress: All dies kann zu Schwankungen bei der Medikamentenaufnahme und Verstoffwechselung führen.

Die wirksame antikonvulsive Therapie ist unerlässlich, da Krampfanfälle während der Schwangerschaft die Herzfrequenz des ungeborenen Kindes senken, und so die Versorgung mit Nährstoffen im Mutterleib und die gute Entwicklung des Kindes gefährden können. Ein Krampfanfall der Mutter während der Geburt kann beim Kind zu Sauerstoffmangel führen.

Gleichzeitig können aber auch bestimmte Antiepileptika giftig für das Ungeborene sein und so zu Fehl- und Missbildungen sowie geistigen Entwicklungsstörungen führen.

Bei Kinderwunsch und in der Schwangerschaft ist daher eine sorgfältige ärztliche Betreuung immens wichtig. Die Dosierung der Medikamente muss auf Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse festgelegt werden, um eine effektive Therapie für Mutter und Kind zu garantieren.

Maßnahmen für Epilepsie-Patientinnen vor und während der Schwangerschaft

Folgende Maßnahmen werden in der Regel empfohlen:

  • Keine Einnahme von valproinsäure-haltigen Medikamenten und von Topiramat
  • Vermeidung der Einnahme mehrerer Wirkstoffe, stattdessen Umstellung auf ein einziges Präparat in der geringstmöglichen Dosierung, die eine Anfallsfreiheit gewährleistet
  • Kontrolle des Blutplasmaspiegels des Medikaments, um die Dosierung dem im Laufe der Schwangerschaft zunehmenden Blutvolumen anpassen zu können
  • Bestimmung des Alpha-Fetoproteins (AFP) in der 16. Schwangerschaftswoche, um etwaige Entwicklungsstörungen beim ungeborenen Kind frühzeitig erkennen zu können
  • Eingehende Ultraschall-Untersuchung um die 20. Schwangerschaftswoche
  • Zusätzliche Einnahme von Folsäure (während der ersten 3 Monate der Schwangerschaft und möglichst schon bei Kinderwunsch vor Eintritt der Schwangerschaft), da einige Epilepsie-Medikamente einen Mangel an Folsäure auslösen können.

Folsäure ist ein wichtiges Vitamin für alle kindlichen Prozesse der Zellbildung, der Zellteilung und des Wachstums sowie für die Entwicklung von Rückenmark, Gehirn und Nervenzellen. Vitamin-K-Spritze für das Neugeborene, um Hirnblutungen unmittelbar nach der Geburt vorzubeugen

Die Krankheit wird in der Regel nicht vererbt: Rund 95 Prozent der Kinder epilepsiekranker Eltern sind selbst nicht von Epilepsie betroffen. Ist die Mutter Epileptikerin, ist das Vererbungsrisiko etwa doppelt so groß, als wenn der Vater erkrankt ist.

Die Original-Quelle der Studie kann hier abgerufen werden.

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