Der Rebound-Effekt als Nebenwirkung

Einige Medikamente sollte man nicht abrupt absetzen, sondern allmählich ausschleichen. Grund hierfür ist das Risiko für den sogenannten Rebound-Effekt, der zu Absetzsymptomen führt.

Was genau steckt hinter dem Rebound-Effekt?

Bei diesem medizinischen Phänomen kommt es – wie der Name schon verrät – zu einer Art Rückprall als Folge des Aufgebens einer Gewohnheit. Eine regelmäßige Medikamenteneinnahme sorgt dafür, dass sich der Körper an die Zufuhr der Wirkstoffe gewöhnt. Das Absetzen des Medikaments löst dann den Rebound aus. Er tritt mit hoher Wahrscheinlichkeit auf, wenn das Medikament schon lange eingenommen wurde.

Der Grund dafür: Durch die Medikamenteneinnahme können sich die Rezeptoren, an die das Medikament bindet und die auf den Wirkstoff reagieren, in der Zahl vermindern.Beim Absetzen können die körpereigenen Wirkstoffe in der Folge an weniger Rezeptoren anbinden, und es entsteht eine Mangelsituation.Aber auch das Gegenteil kann eintreten: Es kann durch die Medikamenteneinnahme zu einer Vermehrung der Rezeptorenanzahl kommen. Beim Absetzen des Medikaments ist dann die Menge der körpereigenen Wirkstoffe nicht mehr ausreichend, um an alle Rezeptoren anzubinden, so dass auch hier eine Mangelsituation eintritt. Um dieses wie auch immer entstandene Defizit auszugleichen, kommt es zunächst und vorübergehend zu einer überschießenden Gegenreaktion des Körpers.

Das Problem tritt vor allem auf, wenn ein Medikament plötzlich abgesetzt oder zu schnell und in zu großen Schritten reduziert wird. Bei Psychopharmaka kann es dann zu einer vorübergehenden oder auch länger anhaltenden Verschlechterung des psychischen und körperlichen Befindens kommen. Die Symptome sind leicht mit der behandelten Grundkrankheit zu verwechseln, deretwegen das Medikament verschrieben wurde. Sie treten in der Regel früh, meistens innerhalb der ersten 2-4 Tage nach Absetzen auf und sind kein Beweis, dass die erneute Einnahme notwendig ist. Im Unterschied zu den Symptomen der Grundkrankheit bessert sich eine Absetzsymptomatik innerhalb von 2-4 Wochen.

Risikogruppen: Bei diesen Medikamenten ist das Auftreten von Rebound-Effekten bekannt

Vor allem Psychopharmaka sind von Rebound-Effekten betroffen. Darunter fallen vor allem Antidepressiva, die neuronale Prozesse im Gehirn beeinflussen. Hier treten die Absetzsymptome bei der Hälfte aller Patienten auf. Sie stehen in Abhängigkeit zur bislang eingenommenen Dosierung und der Zeit, die der Körper benötigt, um den Wirkstoff abzubauen und auszuscheiden (Halbwertszeit eines Medikaments).

Beim Absetzen von Antidepressiva kommt es zu einer Störung des Gleichgewichts des Serotonin-Haushalts. Da einer Depression häufig ein Mangel an Serotonin zugrunde liegt, werden zur Behandlung Medikamente eingesetzt, die den Serotoninspiegel erhöhen. Während der Einnahme des Antidepressivums, hat sich der Körper dann an dieses neue Niveau angepasst. Wird das Medikament nicht mehr eingenommen, fällt der Serotoninspiegel rasch wieder ab und der Körper versucht, dieses Ungleichgewicht auszugleichen.

Dadurch kommt es zu unterschiedlichen unangenehmen Begleiterscheinungen:

  • Vermehrte Schwankungen der Stimmungslage
  • Kreislaufprobleme
  • Schwindel
  • Tinnitus
  • Kopfschmerzen
  • Schlafstörungen

Dennoch wäre die Schlussfolgerung falsch, aus Angst vor möglichen Absetzsymptomen eine notwendige medikamentöse Behandlung der Grunderkrankung zu unterlassen. Je länger eine psychische Erkrankung nämlich unbehandelt bleibt, desto ungünstiger ist ihr Verlauf und desto schlechter ist die Prognose für den Patienten. Bei einer frühzeitigen Behandlung besteht darüber hinaus auch die Möglichkeit, schon durch eine kurzzeitige Einnahme von geringen Dosierungen wirksame Erfolge zu erzielen und damit auch einen Rebound-Effekt nach dem Absetzen zu vermeiden.
Bei Antidepressiva geht man beispielsweise davon aus, dass eine Absetzsymptomatike nur dann auftritt, wenn das Medikament zuvor über mindestens vier, eher sogar acht Wochen eingenommen wurde. Hat man den Zeitpunkt des frühen Absetzens aber überschritten (aufgrund der Schwere der Erkrankung und der Notwendigkeit einer längerfristigen Behandlung), bleibt das Risiko einer Absetzsymptomatik gleich und steigt nicht in Abhängigkeit von der gesamten Einnahmedauer weiter an.

Hilfe! Bin ich jetzt süchtig?!

Keine Sorge – der Rebound-Effekt ist nicht mit den Entzugserscheinungen bei einer Sucht gleichzusetzen. Den Entzugserscheinungen beim Absetzen von Alkohol, Nikotin und Drogen (Heroin, Morphin) liegen andere Mechanismen zugrunde.

Der Rebound-Effekt lässt sich als eine natürliche Reaktion auf das Wegfallen einer gewohnten Situation beschreiben, bei der das Absetzen eines Medikaments mit einer meist überschießenden Gegenreaktion beantwortet wird, bis der Körper sich wieder an seine Ausgangssituation ohne Medikament gewöhnt hat. Das führt dann dazu, dass das Symptom, das man mit der Einnahme des nun abgesetzten Medikaments bekämpft hatte, nach Beendigung der Einnahme kurzfristig nochmals verstärkt auftritt.

Ein Beispiel:

Bei grippalen Infekten reagiert der Körper mit einer vermehrten Sekretproduktion. Die Schleimhäute der Nase schwellen an, das Atmen fällt den Patienten schwer. In solchen Fällen greifen Menschen häufig zu chemischen abschwellenden Nasensprays, die Linderung verschaffen. Sie enthalten einen den körpereigenen Botenstoffen ähnlichen Wirkstoff, der die Blutgefäße verengt (Sympathomimetika). Dadurch schwellen die Schleimhäute ab, die Nase wird “frei”. Durch den Einsatz werden die Rezeptoren in der Nasenschleimhaut überstimuliert. Bei einer dauerhaften Anwendung des Nasensprays bewirken die Inhaltsstoffe anstelle der Symptomlinderung eine verstärkte Durchblutung und schließlich ein erneutes und stärker empfundenes Anschwellen der Nasenschleimhäute. Die Konzentration der körpereigenen Botenstoffe reicht dann, wenn man das Nasenspray absetzt, nicht mehr aus, und die Schleimhäute schwellen vorübergehend noch stärker an.

Medikamente richtig absetzen: Das sollten Sie beachten

Setzen Sie Ihr Medikament nie ohne die Absprache mit Ihrem Arzt ab.

Ein abruptes Absetzen führt bei verschiedenen Medikamenten zum oben erklärten Rebound-Effekt.
Medikamente sollten stattdessen “ausgeschlichen” werden. Um einen geeigneten Plan für die schrittweise Dosisverminderung zu erstellen, sollten Sie Ihren Arzt zu Rate ziehen. Dieser kennt die Halbwertszeiten der Medikamente und kann die für Sie geeigneten Substanzmengen und Zeitabstände festlegen, um das Auftreten von Absetzsymptomen weitestgehend zu verhindern bzw. Ihre Ausprägung so gering wie möglich zu halten.

Sofern Sie Absetzsymptome vermuten, sprechen Sie mit Ihrem Arzt!

Keinesfalls sollten Sie auf eigene Faust wieder mit der Einnahme des kürzlich abgesetzten Medikaments beginnen in der Annahme, Ihre Erkrankung sei noch nicht ausreichend lange behandelt worden. Oft ähneln die Beschwerden nach Absetzen den Symptomen der Grunderkrankung und werden leicht mit ihr verwechselt. Absetzsymptome klingen meist innerhalb von 2-4 Wochen ab.

Für Patienten, insbesondere wenn sie bereits unter einem Rebound-Effekt nach Absetzen ihrer Psychopharmaka leiden, ist es ganz besonders wichtig, über dieses Phänomen aufgeklärt zu werden. Die Akzeptanz und der Umgang mit solchen Beschwerden ist leichter, wenn man weiß, dass es sich nicht mehr um die Grunderkrankung handelt, sondern um vorübergehende Symptome.

Melden Sie Ihre Nebenwirkungen!

Auch Sie können einen wichtigen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit leisten!
Um sicher zu gehen, dass auch Absetzsymptome in der Nebenwirkungsliste geführt werden, sind Ihre Meldungen von höchster Wichtigkeit.

Vermuten Sie also Nebenwirkungen während, aber auch nach Beendigung der Anwendung von Medikamenten, sollten Sie diese melden. Denn oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die Rote-Hand-Briefe wirkungsvoll zeigen. Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.

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