Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich?
Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.
Liebe Patientin, lieber Patient,
lesen Sie hier unseren patientenfreundlichen Warnhinweis zu “Erhöhtes Risiko für rezidivierende thrombotische Ereignisse für Patienten mit Antiphospholipid-Syndrom bei Anwendung von Apixaban (Eliquis), Dabigatranetexilat (Pradaxa), Edoxaban (Lixiana/Roteas) und Rivaroxaban (Xarelto)”.
Die Pharmahersteller Bayer, Boehringer Ingelheim, Bristol-Myers Squibb/Pfizer EEIG und Daiichi Sankyo informieren in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über die Konsequenzen aus den Ergebnissen einer multizentrischen Studie. Demnach war die Anwendung von Rivaroxaban (Xarelto) im Vergleich zur Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten (z.B. Warfarin oder Phenprocoumon/Marcumar) zur Vorbeugung künftiger thromboembolischer Ereignisse bei Patienten mit Antiphospholipid-Syndrom (APS) und mit einer Thrombose in der Vorgeschichte mit einem erhöhten Risiko für wiederkehrende (rezidivierende) thromboembolische Ereignisse behaftet. Möglicherweise trifft dies auch auf andere sogenannte DOAKs (Direkte Orale AntiKoagulantien, oral eingenommen Medikamente zur Herabsetzung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes) zu, für die aktuell noch keine aussagefähigen Daten aus entsprechenden klinischen Studien vorliegen.
Die Anwendung von DOAKs wird daher nicht mehr bei Patienten mit APS empfohlen, insbesondere nicht bei Hoch-Risiko-Patienten, die in allen drei Antiphospholipid-Tests wiederholt konstant positiv getestet wurden (Lupus-Antikoagulans, Anti-Cardiolipin-Antikörper und Anti-Beta-2-Glykoprotein-I-Antikörper).
Die behandelnden Ärzte werden aufgerufen zu überprüfen, ob bei Patienten mit APS, die zurzeit mit DOAKs zur Vorbeugung thromboembolischer Ereignisse behandelt werden, eine Fortsetzung dieser Behandlung angemessen ist. Eine Umstellung der vorbeugenden Behandlung auf sogenannte Vitamin-K-Antagonisten (Warfarin, Phenprocoumon/Marcumar) wird empfohlen.
Worum geht es?
Der Einsatz von Arzneimitteln, welche die Gerinnungsfähigkeit des Blutes herabsetzen (Antikoagulantien), erfolgt zur Behandlung bestehender Blutgerinnsel (Thrombosen) und zur Verhinderung (Prävention/Prophylaxe) neuer Blutgerinnsel. Werden Blutgerinnsel vom Ort ihrer Entstehung durch den zirkulierenden Blutstrom an eine andere Stelle im Gefäßsystem (z.B. in die Lunge) gespült, bezeichnet man dies als Embolie; die Blutgerinnsel verstopfen das betroffene Blutgefäß, wodurch das dahinter liegende Strömungsgebiet von der Sauerstoffversorgung abgeschnitten wird, was zum Absterben (Nekrose / Infarkt) des minder-durchbluteten Gewebes führen kann. Blutgerinnsel bilden sich aufgrund der langsameren Strömungsgeschwindigkeit des Blutes vorzugsweise in Venen, können aber auch in Arterien entstehen. Zusammengefasst spricht man von thromboembolischen Ereignissen.
Bei den Arzneimitteln, welche die Gerinnungsfähigkeit des Blutes herabsetzen, unterscheidet man solche zur intravenösen oder subkutanen Anwendung (wie Heparin) und zur oralen Einnahme. Lange Zeit waren Tabletten, welche indirekt durch die Hemmung von Vitamin K die Vitamin-K-abhängige Bildung der Gerinnungsfaktoren verhinderten, die einzigen Vertreter dieser Gruppe (Vitamin-K-Antagonisten): Warfarin und Phenprocoumon (Marcumar).
Seit einigen Jahren gibt es nun auch sogenannte direkte orale Antikoagulantien (DOAKs).
Davon zu unterscheiden sind die Thrombozytenaggregationshemmer wie Acetylsalicylsäure (ASS / Aspirin) oder Clopidogrel, welche das Aneinanderkleben der Blutplättchen (Thrombozyten) verhindern und so den Blutfluss durch die Gefäße geschmeidig halten.
Bei Patienten mit einem hohem Risiko, an einem thromboembolischen Ereignis zu erkranken, werden primär Antikoagulantien und keine Thrombozytenaggregationshemmer eingesetzt: dazu zählen Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern) und ebenso Thrombosen in der Vorgeschichte aufgrund nachgewiesener (angeborener oder erworbener) Blutgerinnungsstörungen.
Das Antiphospholipid-Syndrom (APS) ist eine erworbene Blutgerinnungsstörung auf Basis einer Autoimmunerkrankung. An ihr erkranken zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung, vorrangig Frauen. Eine andere Bezeichnung für die Erkrankung ist Cardiolipin-Antikörper-Syndrom.
Typische klinische Symptome, die auf ein APS hinweisen können, sind Thrombosen, wiederkehrende Fehlgeburten und intrauteriner Fruchttod.
Anlass für die im vorliegenden Rote-Hand-Brief veröffentlichten Sicherheitsbedenken sind Ergebnisse einer multizentrischen Studie: Patienten mit einer Thrombose in der Vorgeschichte, bei denen eine APS-Diagnose mit hohem Risiko für thromboembolischen Ereignisse gestellt worden war, erhielten nach einem zufälligen (randomisierten) Zuteilungsprinzip entweder Rivaroxaban (59 Patienten) oder Warfarin (61 Patienten) zur Vorbeugung thromboembolischer Ereignisse. Aufgrund einer erhöhten Rate ebensolcher Ereignisse bei Rivaroxaban-Patienten wurde die Studie vorzeitig abgebrochen. Bei 12% der Patienten in der Rivaroxaban-Gruppe traten Thromboembolien (4 ischämische Schlaganfälle und 3 Myokardinfarkte). In der Gruppe der Warfarin-Patienten waren keine thromboembolischen Ereignisse aufgetreten. Zu schweren Blutungen (als Folge der Blutgerinnungshemmung) war es bei 4 Patienten (7%) der Rivaroxaban-Gruppe und bei 2 Patienten (4%) der Warfarin-Gruppe gekommen.
Zur Gruppe der DOAKs (direkte orale Antikoagulantien) gehören neben Rivaroxaban (Xarelto) folgende Arzneimittel: Apixaban (Eliquis), Edoxaban ( Lixiana/Roteas) und Dabigatranetexilat (Pradaxa). Für diese Präparate liegen noch keine ausreichenden Daten vor, da die laufenden klinischen Studien bei Patienten mit APS noch nicht beendet und ausgewertet sind.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch mit diesen Wirkstoffen bei APS-Patienten keine zuverlässige Vorbeugung thrombotischer und thromboembolischer Ereignisse erreicht werden kann, erhalten alle DOAKs einen Warnhinweis für Patienten mit Antiphospholipid-Syndrom.
Was ist zu tun?
Wenn Sie als Patient an APS leiden und zurzeit mit einem Arzneimittel aus der neuen Gruppe der DOAKs zur Prävention thromboembolischer Ereignisse behandelt werden, sollten Sie Ihren Arzt baldmöglichst konsultieren. Dieser kann dann überprüfen, ob eine Fortsetzung der Therapie angemessen ist oder ob eine Umstellung auf einen Vitamin-K-Antagonisten (Warfarin, Phenprocoumon/Marcumar) erfolgen sollte. Dies ist umso dringlicher für Hoch-Risiko-Patienten, die in allen drei Antiphospholipid-Tests wiederholt konstant positiv getestet wurden (Lupus-Antikoagulans, Anti-Cardiolipin-Antikörper und Anti-Beta-2-Glykoprotein-I-Antikörper).
Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung
Beobachten Sie Nebenwirkungen unter der Behandlung mit Apixaban (Eliquis), Dabigatranetexilat (Pradxa), Edoxaban (Lixiana/Roteas), Rivaroxaban (Xarelto) oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die Rote-Hand-Briefe wirkungsvoll zeigen.
Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.