Fingolimod (Gilenya): Einnahmeverbot während der Schwangerschaft und bei fehlender zuverlässiger Verhütung aufgrund von Fehlbildungen bei Föten

Fingolimod (Gilenya): Einnahmeverbot während der Schwangerschaft und bei fehlender zuverlässiger Verhütung aufgrund von Fehlbildungen bei Föten

Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich? 

Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.

Liebe Patientin, lieber Patient,

lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefs vom 02. September 2019 zu Fingolimod (Handelsname Gilenya), für das nun ein Einnahmeverbot während der Schwangerschaft und für Frauen im gebärfähigen Alter, die keine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden, ausgesprochen wurde.

Worum geht es?

Novartis, der Hersteller von Fingolimod, informiert in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über neue Erkenntnisse zur Anwendung dieses Arzneimittels. Fingolimod (Gilenya) ist ein Wirkstoff, der in das körpereigene Immunsystem eingreift und Entzündungsprozesse unterdrückt. Er wird zur Behandlung einer speziellen Verlaufsform der Multiplen Sklerose bei Erwachsenen und bei Kindern und Jugendlichen ab 10 Jahren eingesetzt.

Durch seine Wirkung auf bestimmte Rezeptoren, die in der Embryonalphase an der Entwicklung der Blutgefäße beteiligt sind, kann der Wirkstoff Fingolimod zu Fehlbildungen führen. Bei den tierexperimentellen Studien waren solche Fehlbildungen bei Ratten aufgefallen.

Auswertungen von Daten nach der Markteinführung zeigten, dass Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft Fingolimod einnahmen, ein zweimal höheres Risiko aufwiesen, mit einer Fehlbildung geboren zu werden, im Vergleich zur beobachteten Rate der Allgemeinbevölkerung, die bei 2 bis 3 % aller Geburten liegt. Meldungen schwerer Fehlbildungen waren insbesondere:

  • Angeborene Herzfehler wie Löcher in der Scheidewand zwischen rechtem und linkem Herzvorhof (Atrium-Septum-Defekt) oder zwischen der rechten und linken Herzkammer (Ventrikel-Septum-Defekt) sowie einer komplexen, aus vier Komponenten bestehenden Fehlbildung des Herzens und der dort einmündenden und abgehenden großen Blutgefäße (sog. Fallot’sche Tetralogie)
  • Fehlbildungen der Nieren
  • Fehlbildungen des Muskel-Skelett-Systems

Aus diesem Grund wird die bisherige Empfehlung, dass Schwangere und Frauen im gebärfähigen Alter, die keine wirksame Verhütungsmethode anwenden, Fingolimod nicht einnehmen sollten, nun dahingehend verschärft, dass dieses Arzneimittel bei diesen Patienten nicht mehr angewendet werden darf.

Was ist zu tun?

Ärzte werden aufgefordert, vor jedem Therapiebeginn und während der Behandlung mit Fingolimod (Gilenya), folgendes sicherzustellen:

  • Die Patientin muss über das Risiko schädlicher Auswirkungen auf das ungeborene Kind bei einer Einnahme von Fingolimod während der Schwangerschaft aufgeklärt werden.
  • Vor Beginn der Einnahme muss ein negativer Schwangerschaftstest vorgelegt werden.
  • Patientinnen müssen während und bis zwei Monate nach dem Ende der Behandlung mit Fingolimod eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden.
  • Ist eine Schwangerschaft geplant, muss Fingolimod spätestens zwei Monate vorher abgesetzt werden.

Sollte während der Einnahme von Fingolimod dennoch eine Schwangerschaft eintreten, dann muss das Medikament umgehend abgesetzt werden! Die Schwangerschaft ist in diesem Fall engmaschig zu überwachen, auch mit regelmäßigen Ultraschalluntersuchungen.
Laut Rote-Hand-Brief wird den Ärzten von Novartis ein “Ärzteinformationspaktet” mit Schulungsmaterialien zur Verfügung gestellt, das neben einer Checkliste für Ärzte auch einen Ratgeber für Patienten/Eltern/Betreuer enthält und eine schwangerschaftsspezifische Patientenerinnerungskarte.

Wenn Sie als Frau im gebärfähigen Alter aufgrund von Multipler Sklerose mit Fingolimod behandelt werden sollen oder diese Arzneimittel bereits einnehmen, sprechen Sie Ihren Arzt gezielt auf diesen Ratgeber an.
Lassen Sie sich außerdem von Ihrem Frauenarzt / Ihrer Frauenärztin hinsichtlich der für Sie geeigneten zuverlässigen Verhütungsmethoden beraten. Als sicher gelten alle hormonellen Verhütungsmethoden (klassische Antibabypille: Kombinationspräparate aus Östrogen und Gestagen als Einphasen- oder Mehrphasenpräparate, niedrig dosierte Einphasenpräparate = Mikropillen, nur Gestagen enthaltende Minipillen; Dreimonatsspritze; Hormon- oder Kupfer-freisetzende Intrauterin-Spiralen; Kupferketten; Vaginalringe; Verhütungspflaster; Gestagen-freisetzende Implantate unter der Haut, sog. Verhütungsstäbchen). Die Sicherheit der Verhütungsmethode wird durch den Pearl-Index angegeben, der einen Wert von 2 keinesfalls überschreiten sollte. Barrieremethoden wie Kondom oder Scheidendiaphragma oder spermienabtötende Chemikalien als Gel oder Schaum zählen nicht zu den zuverlässigen Verhütungsmethoden.

Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!

Beobachten Sie Nebenwirkungen unter der Behandlung mit Fingolimod (Gilenya) oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die Rote-Hand-Briefe wirkungsvoll zeigen.

Der Meldeservice von Nebenwirkungen.de bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.

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