Im Vergleich zu Männern leiden Frauen immer häufiger an Nebenwirkungen

75% der Meldungen zu Nebenwirkungen werden von Frauen gemeldet. Inzwischen belegen Studien, dass Medikamente bei Frauen nicht nur anders wirken als bei Männern, sondern dass diese auch häufiger von Nebenwirkungen betroffen sind.

Welche biologischen Faktoren entscheiden über die Wirkweise eines Medikamentes?

Neue Studien an weit verbreiteten Arzneimitteln ergaben, dass Medikamente bei Männern und Frauen unterschiedlich wirken: Beispielsweise gibt es Schlafmittel, die beim weiblichen Geschlecht langsamer abgebaut werden und so länger im Blut wirken. Und es gibt Herzmedikamente, die die Lebenszeit von Frauen verkürzen, die von Männern aber nicht.

Mann und Frau sind unterschiedlich. Das ist eine allgemeine Tatsache. Es gibt einige biologische Gründe, die erklären, weshalb Medikamente beim weiblichen und männlichen Geschlecht unterschiedlich wirken:

  • Medikamente benötigen für das Durchqueren des Organismus (Aufnahme, Verteilung, Wirkung, Abbau, Ausscheidung) je nach Geschlecht unterschiedlich viel Zeit.
  • Arzneimittel brauchen zur Aktivierung des Wirkstoffs bestimmte Enzyme, die je nach Geschlecht in unterschiedlichen Mengen vorhanden sind. Dadurch gelangen in derselben Zeit unterschiedliche Wirkstoffmengen ins Blut.
  • Frauen haben im Vergleich zu Männern häufig einen höheren Anteil an Körperfett, einen niedrigeren Anteil an Körperwasser und sind meist kleiner als Männer. Dadurch verteilt sich der Wirkstoff unterschiedlich im Gewebe, was einen Einfluss auf seine Wirkung bzw. die optimale Dosierung hat.
  • Geschlechtsspezifische Hormone und ein unterschiedlicher Salz- und Wasserhaushalt (z.B. während der Menstruation) haben ebenfalls Auswirkungen auf Wirkungsmechanismen von Medikamenten (z.B. bei Blutdruckmitteln).

Frauen leiden häufiger an Nebenwirkungen

Nachgewiesen wurde diese Ungleichverteilung beispielsweise in Studien zu Antibiotika, Blutdrucksenkern oder bei Schmerzmitteln: Hier herrscht für Frauen ein teils doppelt so hohes Risiko für Nebenwirkungen, beispielsweise Herzrhythmusstörungen zu erleiden.

Manche Medikamente wirken unterschiedlich stark: Das gilt u. a. für Antidepressiva oder Blutgerinnungshemmer sowie für bestimmte Krebsmedikamente, die durch eine höhere Konzentration im Blut von Frauen ein erhöhtes Risiko für Organschädigungen als Folge der relativen Überdosierung in sich bergen können. Wissenschaftliche Daten reichen oftmals nicht aus, um unterschiedliche Dosierungsempfehlungen jeweils für Männer und Frauen zu erstellen. Dies gilt im übrigen auch für ältere Menschen, die in klinischen Studien fast immer unterrepräsentiert sind.

Auch in der ärztlichen Ausbildung und im Praxisalltag werden die Geschlechterunterschiede leider noch immer kaum berücksichtigt. Obwohl biologische Unterschiede klar sind, kommt in der klinischen Forschung die entsprechende genderspezifische Arzneimittelentwicklung noch immer zu kurz. “Mir ist das in meiner praktischen Arbeit als Oberärztin am Deutschen Herzzentrum Berlin sehr klar geworden, wie unterschiedlich Männer und Frauen sind und dass dies viel zu wenig Beachtung in Lehrbüchern findet.”, kritisiert Prof. Dr. Dr. Vera Regitz-Zagrose, die schwerpunktmäßig Geschlechterforschung an der Charité-Universitätsmedizin Berlin betreibt.

Entscheidend ist auch die Mitarbeit der Patientinnen. Es ist wichtig, dass Frauen, wenn sie Medikamente einnehmen, weiterhin sorgsam ihre körperliche und psychische Befindlichkeit beobachten und Veränderungen als mögliche Nebenwirkungen melden. Nur so lassen sich schnell Unterschiede identifizieren, die sich dann auch in geänderten Häufigkeitsangaben von Nebenwirkungen in den Beipackzetteln niederschlagen würden. Einige Ärzte fordern darin sogar explizit die Ausweisung geschlechtsspezifischer Angaben.

Doch warum werden so wenige Studien an Frauen durchgeführt?

Vor allem die erste Phase der Medikamentenentwicklung findet an gesunden Freiwilligen statt – und das sind fast immer junge Männer, erklärt Prof. Dr. Dr. Regitz-Zagrose und macht damit auf einen forschungstechnischen Mangel aufmerksam.

Aufgrund der biologischen Unterschiede werden solche Studien auch an Frauen benötigt, um die Wirkungen und Stoffwechselwege von Medikamenten im weiblichen Körper zu erforschen und daraus korrekte Dosierungsangaben für Frauen ableiten zu können.

Die GendAge-Studie versucht genau diesem Studien-Mangel entgegenzuwirken. Die Studie untersucht darüber hinaus auch, ob Frauen und Männer unterschiedlich krank werden und ob sich daraus unterschiedliche Anforderungen an ihre jeweilige Behandlung ergeben. Im Rahmen dieser Studie nutzen die Ärzte und Forscher auch neuartige Messmethoden.

“Wir sehen so viele Unterschiede, sowohl in der Höhe der wirksamen Dosierungen als auch in der Art und Häufigkeit von Nebenwirkungen, dass ich davon überzeugt bin, dass entsprechende Informationen zum Geschlecht in den Beipackzettel gehören.”, betont Prof. Dr. Dr. Regitz-Zagrose. Dafür sind allerdings die Behörden zuständig, die noch keinen Grund für eine solche Ergänzung der gesetzlichen Anforderungen sehen.

Was sollten Frauen nun beachten?

Sendet Ihr Körper Ihnen Signale des Unwohlseins, ignorieren Sie diese nicht, sondern beobachten Sie diese ganz bewusst. Beachten Sie, dass Sie bereits durch die tägliche Einnahme der Pille oder anderen hormonellen Verhütungsmethoden ein höheres Risiko an Neben- und Wechselwirkungen ausgesetzt sind. Auch wenn die Dosierungsangaben nicht speziell auf Frauen ausgerichtet sind, ändern Sie nicht eigenständig die Dosierungen Ihrer Arzneimittel oder brechen gar die Einnahme auf eigene Faust ab.

Besprechen Sie Beeinträchtigungen Ihres Befindens, die immer Ausdruck von Nebenwirkungen sein können, mit Ihrem Arzt – besonders dann, wenn es sich nach Ihrem Eindruck um starke Nebenwirkungen handelt. Es kann Ihnen allerdings leicht passieren, dass Sie als Frau auch beim Arzt mit Ihren Klagen nicht ganz ernst genommen und ihre Beschwerden als “psychische Überempfindlichkeit” belächelt und dementsprechend zu spät behandelt werden. Seien Sie sich aber Ihres eigenen Körpers bewusst. Niemand kennt diesen besser als Sie! Bevor Sie also resigniert aufgeben oder doch eigenmächtig Ihre Therapie ändern, versuchen Sie Ihren Arzt zu überzeugen oder holen Sie im Falle gravierender gesundheitlicher Beeinträchtigungen eine Zweitmeinung ein.

Und: Melden Sie Ihre Nebenwirkungen!

Ihre Mitarbeit ist wichtig! Wann immer Sie den Verdacht haben, an Nebenwirkungen unter der Einnahme von Medikamenten zu leiden, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zukünftig zu aktualisieren, wie etwa die Rote-Hand-Briefe wirkungsvoll zeigen.

Über Nebenwirkungen.de haben Sie die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung mit einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei. Ihre, in diesem Fall vor allem weiblichen Mitmenschen danken es Ihnen.

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