Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich?
Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.
Liebe Patientin, lieber Patient,
lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefes vom 23. September 2019 zu Picato (Ingenolmebutat). Der Hersteller LEO Pharma informiert in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) darüber, dass bei Patienten, die mit Picato behandelt wurden, Fälle von Stachelzellkrebs (Plattenepithelkarzinom oder Spinaliom) gemeldet wurden. Auch in einigen klinischen Studien war die Häufigkeit von so genanntem weißem Hautkrebs (Stachelzellkrebs/Plattenepithelkarzinom/Spinaliom und Basalzellkrebs/Basalzellkarzinom/Basaliom) erhöht.
Worum geht es?
Die Behandlung mit dem Wirkstoff Ingenolmebutat, das in zwei Produkten des Herstellers enthalten ist – nämlich in Picato 150 Mikrogramm/g Gel und Picato 500 Mikrogramm/g Gel – wird jetzt auch in Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Plattenepithelkarzinomen (Stachelzellkrebs oder Spinaliom) gebracht.
Bereits 2017 war die Produktinformation von Picato ergänzt worden mit dem Hinweis, dass unter der Behandlung mit Ingenolmebutat ein vermehrtes Auftreten gutartiger Hauttumore (“Keratoakanthome”) beobachtet wurde.
Die nun vorliegenden Meldungen von Plattenepithelkarzinom und die erhöhte Häufigkeit von weißem Hautkrebs in klinischen Studien war Anlass für die erneute Risikobewertung dieses Wirkstoffs. Dabei wurden die Häufigkeiten aller Hauttumor-Typen in die Analyse einbezogen, einschließlich des Morbus Bowen, der als Vorstufe (Präkanzerose) von weißem Hautkrebs gilt und in 3 von 100 Fällen in das bösartige Plattenepithelkarzinom übergeht.
Dementsprechend wurden die Produktinformationen des Arzneimittels nochmals überarbeitet und um Warnhinweise zu den Berichten über bösartige Hautveränderungen (Basalzellkarzinome, Morbus Bowen,Plattenepithelkarzinome) ergänzt. Desweiteren wurde der Warnhinweis aufgenommen, dass Picato bei Patienten mit Hautkrebs in der Vorgeschichte nur mit Vorsicht angewendet werden soll.
Derzeit prüft die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) darüber hinaus die genaue Auftretenswahrscheinlichkeit von Hautkrebs bei Behandlungen mit Picato und ob sich daraus eine weitere Konsequenz für die Nutzen-Risiko-Bewertung dieses Wirkstoffes ergibt.
Wofür wird Picato angewendet?
Picato wird bei Erwachsenen zur Behandlung sogenannter aktinischer Keratosen angewendet. Aktinische Keratosen (“durch Lichtstrahlen verursachte Verhornung der Haut”) werden durch UV-Licht verursacht und finden sich daher ausschließlich an den so genannten „Lichtterrassen“ des Körpers: zumeist flächenhaft im Gesicht (insbesondere an hervortretenden Stellen wie Stirn, Nase, Ohrmuschel), an den Handrücken und Unterarmen oder im Bereich der männlichen Glatze. Zumeist lassen sich diese Veränderungen vom Laien im Anfangsstadium nicht gut erkennen, allerdings sind sie als raue Stellen („wie Schmirgelpapier“) leicht tastbar. Betroffen sind meist schon etwas ältere Personen (Generation 50 plus), insbesondere vom hellen Hauttyp, aber auch dunkelhäutigere Menschen, die viel im Freien und dem Sonnenlicht ausgesetzt gearbeitet haben.
Da aktinische Keratosen in rund zehn Prozent der Fälle in ein sich ausbreitendes Plattenepithelkarzinom (Stachelzellkrebs, Spinaliom) übergehen, sollten sie grundsätzlich behandelt werden. Neben dem Herausschneiden (Exzision) und dem Herausschaben (Kürettage) gibt es eine Vielzahl weiterer anerkannter Therapieverfahren. Zu diesen gehören die Kältetherapie (Kryotherapie) mit flüssigem Stickstoff, die Lasertherapie und die so genannte photodynamischen Therapie (PDT). Darüber hinaus haben verschiedene pharmazeutische Wirkstoffe wie Ingenolmebutat (Picato) ihre Wirksamkeit in der lokalen Anwendung bewiesen.
Picato 500 Microgramm/g Gel wird an zwei aufeinander folgenden Tagen auf die von aktinischen Keratosen befallenen Hautareale am Körperstamm und den Extremitäten sowie in der unteren Nackenregion aufgetragen. Für die Behandlung betroffener Stellen der empfindlichen Haut im Gesicht, der Kopfhaut und des oberen Nackens steht das geringer konzentrierte Picato 150 Microgramm/g Gel zur Verfügung und wird an 3 aufeinander folgenden Tagen auf die Hautläsionen aufgebracht.
Was ist zu tun?
Falls Sie mit Picato behandelt werden oder wurden, sollten Sie sehr genau auf das Auftreten neu entstehender Hautveränderungen achten. Denn das Tückische an diesen Hautveränderungen ist, dass sie zunächst keinerlei Beschwerden verursachen – sie jucken oder brennen nicht. Daher wird ihnen häufig erst zu spät Beachtung durch die Betroffenen geschenkt.
Wenn Sie also Auffälligkeiten an Ihrer Haut bemerken, vereinbaren Sie einen Termin mit Ihrem Arzt, um abklären zu lassen, ob es sich um eine bösartige Veränderung oder um eine Vorstufe davon handelt.
Besprechen Sie mit Ihrem Arzt mögliche Alternativen der Behandlung: aktinische Keratosen können auch chirurgisch entfernt oder mit flüssigem Stickstoff vereist werden. Auch das Abtragen mit Hilfe eines Lasers oder scharfen Instrumenten ist möglich.
Und ganz wichtig: Beugen Sie vor! Die wirkungsvollste Maßnahme, um die Bildung aktinischer Keratosen zu verhindern, besteht darin, sich durch entsprechende Kleidung und Sonnenschutzmittel vor zu starker UV-Strahlung zu schützen. Zudem sollte eine zusätzliche Exposition gegenüber künstlicher UV-Strahlung (z.B. Besuch von Sonnenstudios) vermieden werden.
Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!
Beobachten Sie Nebenwirkungen – egal welcher Art – unter der Behandlung mit Picato (Ingenolmebutat) oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die Rote-Hand-Briefe wirkungsvoll zeigen.
Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.