Sodbrennen ist eine Volkskrankheit. Patienten leiden unter saurem Aufstoßen nach dem Essen und greifen dann schnell zu Medikamenten wie Omeprazol und Pantoprazol, um dem unangenehmen Brennen in Brust und Bauch Abhilfe zu schaffen.
Protonenpumpenhemmer (kurz: PPI) sind Medikamente, die zur Hemmung der Magensäureproduktion eingesetzt werden. PPI zählen zu den meistverkauften Arzneien in Deutschland. Sie lindern aber nicht nur typische Symptome von Sodbrennen. Häufig werden sie auch zur Langzeitanwendung in Kombination mit Kortisonpräparaten oder Schmerzmitteln verschrieben, um die Magenschleimhaut zu schützen. Bei kurzzeitigen Einnahmen gibt es meistens keine Probleme. Wer solche Medikamente aber längere Zeit einnimmt, sollte sich über mögliche Nebenwirkungen Gedanken machen.
Bereits bekannt und trotzdem unterschätzt: Das sagt die Arzneimittelforschung
Statistiken zeigen einen erschreckenden Trend: über viele Jahre ist die Verordnung von Protonenpumpenhemmern beinahe linear angestiegen. Dabei haben Studien wieder einmal Zweifel an der Verträglichkeit dieser Präparate bestätigt.
Die unterdrückte Magensäureproduktion und ihre bekannten Folgen:
Bei der Unterdrückung der Magensäureproduktion durch PPI zu therapeutischen Zwecken wird immer auch die physiologische Funktion der Magensäure gehemmt. Das bedeutet unter anderem:
- In der Nahrung enthaltenes Eisen kann nur noch unzureichend aufgenommen werden. Es kann ein Eisenmangel und eine Blutarmut entstehen.
- Auch die Resorption von Vitamin B12 ist beeinträchtigt. Von einem Vitamin B12-Mangel betroffen sind Haare, Nerven, Muskulatur und Blutbildung. Damit steigt auch das Risiko von Gefäßerkrankungen und Demenz.
- Der Schutzeffekt der Magensäure vor bakteriellen Infektionen fehlt. Unter Langzeit-Einnahme von PPI treten deshalb mehr Magen-Darm-Infektionen auf. Dies kann zu gehäuften Durchfällen auf dem Boden bakterieller Darminfektionen führen.
- Die durch den Säuremangel bedingte schlechte Aufspaltung der Nahrung führt zu Gärungs- und Fäulnisprozessen im Darm mit Blähungen und einer veränderten, schlechten Darmflora bis hin zur Besiedelung mit Darmpilzen.
- Die unvollständige Aufspaltung von Proteinen kann die Entstehung von Nahrungsmittelallergien begünstigen.
- Das in der Nahrung enthaltene Kalzium wird nur ungenügend aufgenommen. Der so entstehende Kalziummangel kann zu Knochenschwund (Osteoporose) und zu einem erhöhten Bruchrisiko führen.
Ergebnisse einer aktuellen Studie untersuchten nun außerdem den Zusammenhang zwischen Nierenerkrankungen und Elektrolytstörungen. Besonders betroffen waren Omeprazol-haltige Magensäureblocker. Diese Nebenwirkungen sind grundsätzlich nicht neu und bereits im Beipackzettel verzeichnet, wurden nun aber näher analysiert.
Analyse von Nebenwirkungsmeldungen: Das sind die wichtigsten Ergebnisse
Analyse von Nebenwirkungsmeldungen: Das sind die wichtigsten Ergebnisse
Aufgabe der Pharmakovigilanz ist die laufende und systematische Überwachung der Sicherheit von Fertigarzneimitteln. Das Ziel ist es, unerwünschte Arzneimittelwirkungen (Nebenwirkungen) zu entdecken, zu beurteilen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, die das Risiko minimieren können.
Schwerwiegende Nebenwirkungen: Nierenschäden
Die vorliegenden Ergebnisse basieren auf der Analyse von Meldungen unerwünschter Arzneimittelwirkungen (kurz: UAW) und wurden zwischen Januar 2004 und März 2018 erhoben. Dabei wurde zwischen Patienten unterschieden, die entweder PPI (z. B. Omeprazol, Pantoprazol, Lansoprazol) oder sogenannte H2-Blocker (z. B. Ranitidin, Famotidin), als Alternative zu PPI einnahmen. Das höchste Risiko, Nebenwirkungen zu entwickeln, wurde unter Omeprazol festgestellt.
In der Gruppe der PPI-Patienten wurde eine erhöhte Gesamthäufigkeit (5,62%) von Nebenwirkungen, die die Niere betreffen, ermittelt. Im Vergleich dazu lag der Wert bei Patienten der H2-Blocker-Gruppe bei 0,69%.
Über immunologische Prozesse können PPI schwere Nierenentzündungen, sogenannte akute interstitielle Nephritiden auslösen, bei denen das Zwischengewebe der Nieren und die Nierenkanälchen betroffen sind; chronisches bzw. Nierenversagen mit Dialysepflicht kann die Folge sein. Auch Nierensteine (Nephrolithiasis) wurden vermehrt unter Langzeiteinnahme von PPI festgestellt.
Weitere Folgen der Langzeitanwendung: Elektrolytstörungen (Störungen im Salz- und Wasserhaushalt)
In enger Beziehung zur Nierenfunktion steht der Salz-Wasser-Haushalt im Körper, der durch die Einnahme von PPI gestört werden kann. Als Salz-Wasser-Haushalt bezeichnet man die Regulierung der Aufnahme und Abgabe von Wasser und der damit verbundenen Konzentrationen von Mineralsalzen, den sogenannten Elektrolyten. Diese positiv oder negativ geladenen, im Körperwasser gelösten Teilchen leiten den elektrischen Strom, der für die Reiz- und Signalübertragung des Nervensystems verantwortlich ist. Somit ist der Salz-Wasser-Haushalt eine unverzichtbare Grundlage aller Lebensvorgänge.
Unter der langfristigen Einnahme von PPI kam es vor allem zu einem Mangel an Magnesium, Kalzium, Kalium und Natrium:
- Hypomagnesiämie
- Hypokalzämie
- Hypokaliämie
- Hyponatriämie
Als schwerwiegende Folgen der Elektrolytstörungen können sich Erschöpfungszustände, Muskelkrämpfe (Tetanie), Delirium, Schwindelgefühl und Herzrhythmusstörungen entwickeln, aber auch eine verminderte Knochenstabilität (Osteoporose).
Aufgrund dieser Untersuchungsergebnisse ist es insbesondere bei einer Langzeitbehandlung mit PPI geboten, die Nierenwerte und Elektrolytkonzentrationen im Blut regelmäßig zu überwachen.
1. Intensivmedizin: Hier erhalten Patienten PPI zur Vorbeugung von Magengeschwüren bzw. von Blutungen aus bereits vorhandenen Magengeschwüren, die sich als Folge der Stress-Situation während des Aufenthalts in einer Intensivstation entwickeln können. Sobald Patienten auf Normalstation verlegt oder entlassen werden, ist die Gabe aber nicht mehr nötig.
2. Reflux: Bei Symptomen von Rückfluss von saurem Magensaft in die Speiseröhre ohne Hinweis auf eine Tumorerkrankung soll der Einsatz von PPI über vier Wochen erfolgen. Im Anschluss daran sollen PPI nur noch bei Bedarf und in reduzierter Dosis eingenommen oder auf H2-Blocker (Ranitidin, Famotidin) umgestellt werden. Bei anhaltenden Beschwerden ist eine weiterführende Diagnostik notwendig.
3. Entzündungen der Speiseröhre (Refluxösophagitis): Hierbei handelt es sich um eine schmerzhafte Entzündung mit Schleimhautveränderungen im unteren Bereich der Speiseröhre als Folge des Rückflusses von saurem Magensaft in die Speiseröhre.
- Bei Grad A und B entspricht die Behandlung mit PPI der wie beim einfachen Reflux (siehe 2.)
- Bei Grad C und D soll im Anschluss an die Akutbehandlung mit PPI eine Dosisreduktion und ein Ausschleichen nach einem Jahr angestrebt werden.
4. Reizmagen (Funktionelle Dyspepsie): Die Behandlung des umgangssprachlichen Reizmagens soll nur in Ausnahmefällen mit PPI erfolgen, da diese Medikamente hierfür keine behördliche Zulassung haben, es sich also um einen sogenannten Off-Label-Use handelt. Das bedeutet, dass das Anwendungsgebiet nicht den in der Packungsbeilage aufgeführten Einsatzmöglichkeiten entspricht. Eine Änderung des Lebensstils mit Ernährungsumstellung und Gewichtsreduktion sollten hier im Vordergrund stehen.
5. Bakteriell bedingte Entzündung der Magenschleimhaut (Helicobacter pylori-Infektionen): Hierbei handelt es sich um eine Besiedelung der Magenschleimhaut mit einem Bakterium, dem Helicobacter pylori, die zu chronischen Entzündungen und Geschwüren führen kann. Zusammen mit der Antibiotika-Behandlung sind PPI hier Bestandteil der sogenannten Ausmerzung (Eradikationstherapie), danach sollten PPI aber abgesetzt werden.
6. Patienten mit Blutungen aus Geschwüren im oberen Magen-Darm-Trakt in der Vergangenheit (gastroduodenale Ulkusblutung): Patienten, die unter Dauerbehandlung mit ASS (Acetylsalicylsäure, z.B. Aspirin) zur Blutverdünnung stehen und schon einmal eine Blutung aus einem Geschwür im Bereich des Magens oder Zwölffingerdarms) hatten, sollen, wenn sie Helicobacter-pylori-positiv sind, mit einer Eradikationstherapie (Antibiotikum plus PPI) behandelt werden, danach sind PPI wieder abzusetzen. Helicobacter-pylori-negative Patienten, die unter Dauerbehandlung mit ASS stehen und eine gastroduodenale Ulkusblutung hatten, benötigen eine PPI-Dauermedikation zur Reduzierung des Blutungsrisikos.
7. Risikopatienten: Beim Vorliegen bestimmter Risikofaktoren, die das Auftreten von Blutungen aus dem oberen Magen-Darm-Trakt begünstigen (z.B. die dauerhafte Einnahme von Schmerzmitteln aus der Gruppe der NSAR = nicht-steroidale Antirheumatika wie Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen), kann eine dauerhafte Behandlung mit einem PPI gerechtfertigt sein.
Aber Vorsicht! Eine Studie aus Schweden zeigt neue Erkenntnisse
Eine Auswertung aus dem Jahr 2018 anhand der Daten von knapp
800 000 PPI-Langzeitanwendern (Zeitraum 2005 bis 2012) in Schweden zeigte ein deutlich höheres Risiko für Speiseröhrenkrebs (ca. 3,9%) im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (ca. 1%). Bemerkenswert: Dieser Zusammenhang besteht auch (wenngleich etwas abgeschwächt mit ca. 2,5%) bei Patienten, die die Mittel nicht wegen der Refluxkrankheit, sondern aus anderen Gründen (z.B. chronische Schmerztherapie, Blutverdünnung) einnehmen. Die Refluxkrankheit selbst ist ein bekannter Risikofaktor für Speiseröhrenkrebs, dessen Einfluss durch die Einnahme von PPIs eigentlich verringert werden soll.
Das sollten Sie als Patient nun beachten
Experten warnen vor schwerwiegenden Folgen eines unkritischen PPI-Einsatzes und fordern Ärzte auf, den Verordnungsrahmen unbedingt einzuhalten. Da niedrig dosierte Protonenpumpenhemmer (20 mg Wirkstoff) ohne Rezept frei verkäuflich sind, stehen Sie als Konsument auch selbst in der Verantwortung, über die Einnahme dieser Arzneimittel zu entscheiden.
Wenn Sie also bereits über einen längeren Zeitraum PPI einnehmen, empfiehlt es sich, Rücksprache mit Ihrem Arzt zu halten, ob es eine Behandlungsalternative (z. B. H2-Blocker) gibt. Sofern keine notwendige medizinische Indikation mehr vorliegt oder gar ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis besteht, sollte ein langsames Absetzen (“Ausschleichen”) des PPI in Betracht gezogen werden.
Diesen Vorgang bezeichnet man auch als Deprescribing: hierbei wird die Dosis eines Medikamentes nach einem vorgegebenen Schema reduziert und die regelmäßige Einnahme Schritt für Schritt beendet. Das genaue Vorgehen wird Ihr Arzt mit Ihnen besprechen; auf keinen Fall sollten Sie die Einnahme eigenmächtig und keinesfalls abrupt von einem auf den anderen Tag beenden.
Halbieren Sie nicht einfach Ihre Tabletten. Viele sind mit einem säurestabilen Überzug ausgestattet, damit sie sich nicht schon im Magen auflösen, sondern erst im Dünndarm. Beim Teilen oder Zerkleinern geht die Wirksamkeit verloren. Wählen Sie stattdessen niedriger dosierte Kapseln oder Tabletten. Eine Ausnahme sind sogenannte Multi-Unit-Pellet-Systeme – erkennbar an der Abkürzung „MUPS“ im Namen des Präparats. Dabei ist der Wirkstoff in kleine Kügelchen (Pellets) verpackt. Diese Tabletten können Sie zerbrechen. Achten Sie aber darauf, dass Sie die Pellets nicht zerbeißen oder kauen.
Und achten Sie auf Ihren Lebensstil: Meiden Sie Nikotin und Alkohol, reduzieren Sie Ihren Kaffeekonsum, essen Sie weniger fette und süße Speisen, essen Sie mehr Gemüse, meiden Sie schwere Mahlzeiten am späteren Abend, bewegen Sie sich mehr und reduzieren Sie Ihr Körpergewicht!
Ein Teufelskreis?
Auf die Einnahme von Protonenpumpenhemmern reagiert der Körper mit einer vermehrten Ausschüttung von Gastrin, einem Hormon, das wegen des medikamentös herbeigeführten Magensäuremangels die Magensäureproduktion ankurbeln soll. Nach dem Absetzen von PPIs kann aufgrund der hohen Gastrinproduktion eine vorübergehende Überschuss-Produktion von Magensäure, ein sogenannter Säure-Rebound, auftreten. Es kommt erneut zu Sodbrennen, was viele Patienten dazu verleitet, erneut mit der PPI-Einnahme zu beginnen. Hier sind Geduld und Durchhalten erforderlich, denn das Gleichgewicht von Gastrin und Magensäure stellt sich nach einiger Zeit von selbst wieder ein, und die Menge an Magensäure kehrt zum Normalmaß zurück.
Wenn ein Absetzen des PPI nicht möglich ist und therapeutische Alternativen nicht in Betracht kommen, ist es wichtig, die Nieren- und Elektrolytwerte regelmäßig kontrollieren zu lassen.
Melden Sie Ihre Nebenwirkung bei Magensäureblockern
Auch Sie können einen wichtigen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit leisten!
Beobachten Sie Nebenwirkungen unter der Anwendung von Protonenpumpenhemmern zur Verminderung der Magensäure oder von anderen Medikamenten, sollten Sie diese melden. Denn oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die Rote-Hand-Briefe wirkungsvoll zeigen. Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.