RoActemra (Tocilizumab): Risiko schwerer Leberschäden

RoActemra (Tocilizumab): Risiko schwerer Leberschäden

Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich? 

Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.

Liebe Patientin, lieber Patient,

lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefs vom 26. Juni zu RoActemra (Tocilizumab). Der Hersteller Roche Pharma AG informiert hiermit in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) über das Risiko schwerer arzneimittelinduzierter Leberschäden bei der Behandlung mit RoActemra (Tocilizumab).

Worum geht es?

Bei der Behandlung mit dem Medikament RoACTEMRA kam es bei Patienten zu schweren Leberschäden als Nebenwirkung. Den Berichten zufolge traten diese sowohl nach einigen Wochen und sogar noch nach mehreren Jahren nach der Einnahme auf. Weltweit wurden insgesamt 8 Fälle erfasst, in zweien war eine Lebertansplantation erforderlich.

RoACTEMRA ist das erste Medikament einer neuen Arzneimittelklasse für rheumatoide Arthritis. Dabei handelt es sich um sogenannte Autoimmunerkrankungen, also Krankheiten, bei denen das körpereigenen Immunsystem sich aus bislang noch nicht vollständig geklärten Gründen gegen das eigene Gewebe richtet, das darauf mit schweren Entzündungen reagiert.

Wer „Rheuma“ hört, denkt zuerst an eine Erkrankung der Gelenke bei älteren Menschen. Doch handelt es sich bei Rheuma um eine entzündliche Erkrankung, die auch das Nervensystem, innere Organe und sogar Blutgefäße betreffen kann. Je nachdem, welche Gewebe betroffen sind, unterscheidet man unterschiedliche Arten und betroffene Personengruppen, die mit RoACTEMRA behandelt werden können:

  • Erwachsene mit mäßiger bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis (RA), einer Autoimmunerkrankung, wenn vorangegangene Behandlungen nicht gut genug gewirkt haben.
  • Erwachsene mit schwerer aktiver und fortschreitender (progressiver) rheumatoider Arthritis (RA), die keine vorherige Methotrexat-Behandlung erhalten haben.
  • Erwachsene mit einer Erkrankung der Arterien namens Riesenzellarteriitis (RZA)

Die Riesenzellarteriitis (RZA) ist eine seltene und relativ unbekannte Krankheit und tritt meistens in den großen und mittelgroßen Blutgefäßen (meist Arterien) auf. Am häufigsten leiden Betroffene unter Entzündungen der Blutgefäße im Kopf, in der Regel in der Schläfenarterie. Meist tritt die RZA ab einem Alter von 50 Jahren auf und betrifft Frauen dreimal so häufig wie Männer. In Deutschland sind ca. 24 bis 30 von 100.000 Menschen betroffen.

  • Kinder und Jugendliche im Alter von 1 Jahr und älter mit aktiver systemischer juveniler idiopathischer Arthritis (sJIA), einer chronisch entzündlichen Erkrankung, die zu Schmerzen und Schwellungen in einem oder mehreren Gelenken, sowie Fieber und Hautausschlag führt.
  • Kinder und Jugendliche im Alter von 2 Jahren und älter mit aktiver polyartikulärer juveniler idiopathischer Arthritis (pJIA), eine entzündliche Erkrankung, die mit Schmerzen und Schwellungen in einem oder mehreren Gelenken verbunden ist.

Wie wirkt RoActemra?

RoActemra (Tocilizumab) ist ein sogenannter monoklonaler Antikörper, der gegen Interleukin-Rezeptoren gerichtet ist. Das Medikament soll also die schädigende, entzündliche Wirkung von Interleukin, einem Hauptakteur der Autoimmunreaktionen, verhindern. Es wird (häufig in Kombination mit Methotrexat) einmal wöchentlich unter die Haut (subkutan) gespritzt. Auch eine intravenöse Anwendung (Infusion in eine Vene) ist möglich.

Von RoActemra (Tocilizumab) war bereits bekannt und ist entsprechend in der Packungsbeilage beschrieben, dass es eine vorübergehende oder wiederkehrende leichte bis mäßige Erhöhung der Leberenzyme (auch Transaminasen genannt) bewirken kann. Diese Nebenwirkung tritt mit erhöhter Häufigkeit auf, wenn RoActemra in Kombination mit potenziell leberschädigenden Arzneimitteln wie z. B. Methotrexat angewendet wird.

Gemäß der gültigen Produktinformation zu RoActemra (Tocilizumab) wird grundsätzlich von einer Behandlung abgeraten bei Patienten, die erhöhte Leberwerte (ALT/GPT und AST/GOT) oberhalb des 5-fachen des oberen Normwertes aufweisen.

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Patienten vor Beginn der Behandlung mit RoActemra (Tocilizumab) bereits ALT/GPT- und AST/GOT-Werte oberhalb des 1,5-fachen des oberen Normwertes aufweisen.

Neue Hinweise aus der Arzneimittelsicherheit

Berichten zufolge traten bei Patienten, die mit RoActemra (Tocilizumab) behandelt wurden, schwerwiegende Leberschäden auf. Die Schädigungen umfassten Leberentzündung (Hepatitis), Gelbsucht und akutes Leberversagen. Letzteres machte in zwei Fällen sogar eine Lebertransplantation erforderlich. Die umfassende Bewertung aller verfügbaren Daten zu RoActemra (Tocilizumab) einschließlich aller klinischer Studien ergab, dass bis dahin weltweit acht Fälle von gravierenden Leberschäden gemeldet worden waren. Sie waren zwischen 2 Wochen und mehr als 5 Jahren nach Beginn der Behandlung aufgetreten.

Die Ärzte (Hausärzte, Internisten, Rheumatologen) werden daher nun aufgefordert, bei ihren Patienten, die wegen rheumatoider Arthritis, Riesenzellarteriitis, polyartikulärer juveniler idiopathischer Arthritis oder systemischer juveniler idiopathischer Arthritis mit RoActemra (Tocilizumab) behandelt werden, die Leberwerte ALT (oft auch mit GPT abgekürzt) und AST (oft auch mit GOT abgekürzt) in den ersten 6 Monaten der Behandlung alle 4 bis 8 Wochen und anschließend alle 12 Wochen zu überwachen. Durch diese Maßnahme lässt sich eine beginnende Leberschädigung frühzeitig erkennen und Schlimmeres verhindern.

Wenn Leberwertveränderungen unter der Behandlung mit RoActemra (Toclizumab) festgestellt werden, kann eine Dosisanpassung (Verringerung, zeitweilige Unterbrechung, vollständiges Absetzen) erforderlich sein.

Was ist zu tun?

Basierend auf diesen Daten werden schwerwiegende Leberschäden unter RoActemra (Tocilizumab) als selten angesehen. Das Nutzen-Risiko-Profil des Arzneimittels wird für die zur Behandlung zugelassenen Krankheitsbilder weiterhin als positiv bewertet.

Sollten Sie unter der Behandlung mit RoActemra (Tocilizumab) Anzeichen einer Leberschädigung bei sich bemerken, wenden Sie sich bitte unverzüglich an Ihren behandelnden Arzt oder auch an einen Notarzt.

Eine mögliche Lebervergiftung erkennen Sie an diesen Symptomen:

  • gelblich verfärbte Haut und Augen,
  • dunkler Harn,
  • blasser Stuhl,
  • Juckreiz,
  • Übelkeit und Erbrechen,
  • starke Müdigkeit.

Bitte beachten Sie
Bei dem anfänglichen reinen Anstieg der Leberenzyme (Transaminase AST/GPT und ALT/GOT), der einer ausgeprägten Leberschädigung vorausgeht, verändert sich das Allgemeinbefinden zunächst nicht. Deshalb ist es von größter Wichtigkeit, dass Sie die vorgegebenen Kontrolltermine zur Überwachung Ihrer Leberwerte strikt einhalten: In den ersten 6 Monaten der Behandlung mit RoActemra (Tocilizumab) alle 4 bis 8 Wochen, danach alle 12 Wochen (3 Monate).

Im Falle einer Begleitbehandlung mit Methotrexat sollten Sie, wegen des erhöhten Risikos einer Leberschädigung, in den ersten sechs Monaten bereits alle 4 Wochen zur Kontrolle gehen.

Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!

Beobachten Sie Nebenwirkungen – egal welcher Art – unter der Behandlung mit RoActemra (Tocilizumab) oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die Rote-Hand-Briefe wirkungsvoll zeigen.

Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.

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