Antihistaminika der ersten Generation: möglicherweise erhöhte Risiken bei älteren Menschen

Antihistaminika der ersten Generation: möglicherweise erhöhte Risiken bei älteren Menschen

Antihistaminika der ersten Generation: möglicherweise erhöhte Risiken bei älteren Menschen

Was sind Drug Safety Mails?

Drug Safety Mail (oder zu Deutsch: Arzneimittel-Sicherheitsbrief) ist der Name des Newsletters der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Sie werden regelmäßig veröffentlicht und enthalten – ähnlich wie die Rote-Hand-Briefe – aktuelle Informationen zu möglichen Risiken von Medikamenten.

Um Ihnen die bestmögliche medizinische Aufklärung zu bieten, möchten wir Ihnen auch diese Informationen in einer patienten-freundlicheren Sprache zugänglich machen.

Liebe Patientin, lieber Patient,

lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung der Arzneimittelsicherheitsinformation der Arzeimittelkommission (AMK) vom 14. Juni 2021 zu Antihistaminika der ersten Generation bei der Anwendung durch ältere Menschen.

Das BfArM empfiehlt, bei der Anwendung von Antihistaminika der ersten Generation insbesondere bei Patienten ab 65 Jahre folgende Punkte zu berücksichtigen:

  • Niedrige Dosierung: Antihistaminika der ersten Generation sollten möglichst niedrig dosiert werden.
  • Kurzfristige Anwendung: Die Anwendung sollte möglichst kurz erfolgen (in der Regel maximal zwei Wochen). Dies ist besonders bei der Anwendung als Schlafmittel relevant.
  • Die Empfehlungen der Fach- und Gebrauchsinformation sollten berücksichtigt werden.

Worum geht es?

Antihistaminika sind antiallergische Wirkstoffe, welche die Effekte des körpereigenen Botenstoffs Histamin aufheben, indem sie die Andockstellen (Rezeptoren) für Histamin blockieren. Sie werden unter anderem bei Heuschnupfen, Nesselfieber, bei einer allergischen Bindehautentzündung und bei allergischen Hauterkrankungen oder nach Insektenstichen eingesetzt.

Als Antiallergika spielen die Antihistaminika der ersten Generation nur noch eine untergeordnete Rolle, da sie die sogenannte Blut-Hirn-Schranke passieren und mit dem Blutstrom auch ins zentrale Nervensystem, also ins Gehirn gelangen und starke Müdigkeit hervorrufen. Mit den Antihistaminika der zweiten und dritten Generation (z.B. Cetirizin, Loratadin, Ebastin bzw. Levocetirizin, Desloratadin und Fexofenadin) sind zur Behandlung allergischer Reaktionen besser verträgliche Alternativen verfügbar. Diese gelangen in erheblich geringerem Umfang ins Gehirn und verursachen daher weniger zentralnervöse Nebenwirkungen.

Bei den Antihistaminika der ersten Generation, zu denen unter anderem die Wirkstoffe Doxylamin, Diphenhydramin und Dimenhydrinat zählen, nutzt man inzwischen genau die zentralnervösen Nebeneffekte und setzt sie gezielt als Schlafmittel sowie zur Behandlung von Übelkeit/Erbrechen und Schwindel ein.

Während die Wirkstoffe Doxylamin und Diphenhydramin hauptsächlich bei Schlafstörungen eingesetzt werden, wird Dimenhydrinat zur Behandlung und Vorbeugung von Übelkeit und Erbrechen unterschiedlicher Ursachen sowie bei Schwindel angewendet.

Doxylamin ist beispielsweise enthalten in Hoggar Night, Schlafsterne, Schlaftabs, Sedoplus sowie Wick MediNait (in Kombination mit anderen die Erkältung lindernden Substanzen). Diphenhydramin ist der Wirkstoff in Betadorm, Nachtsterne, Halbmond, Moradorm, Vivinox Sleep sowie in Emesan.

Dimenhydrinat findet sich in den typischen Medikamenten gegen Reisekrankheit wie Reisegold und in Vertigo Vomex, Vomex A und Vomacur.

Diese Arzneimittel sind überwiegend rezeptfrei in der Apotheke erhältlich oder können über sogenannte „grüne Rezepte“ bzw. Privatrezepte verschrieben werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) machte kürzlich auf die bereits seit Jahren bekannten möglichen Anwendungsrisiken aufmerksam, die aufgrund der zentral dämpfenden Wirkungen dieser Arzneimittel insbesondere für ältere Menschen bestehen können.

Im Sachverständigenausschuss für die Verschreibungspflicht (SVA) wurde wiederholt ein erhöhtes Risiko für Gleichgewichtsstörungen, Stürze, Verwirrtheitszustände und Denkstörungen bei Älteren diskutiert. Obwohl die Datenlage dazu unzureichend ist, hat der SVA basierend auf Experteneinschätzungen empfohlen, Doxylamin und Diphenhydramin zur Behandlung von Schlafstörungen bei Erwachsenen ab dem 65. Lebensjahr der Verschreibungspflicht zu unterstellen. Im Fall von Dimenhydrinat wurde dies wegen der indikationsbedingt kurzfristigen Anwendung als nicht notwendig erachtet. Die Empfehlung des SVA richtet sich an das Bundesministerium für Gesundheit als Verordnungsgeber, das über die Umsetzung der Empfehlung entscheiden wird.

Antihistaminika der ersten Generation: Was ist zu tun?

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte rät bis zur Entscheidung über die Verschreibungspflicht, dass bei Nachfrage eines Patienten zur Anwendung dieser Arzneimittel eine gründliche ärztliche Beratung erfolgen und die Indikation zur ärztlichen Verordnung streng gestellt werden soll.

Da Sie als Patient diese Arzneimittel auch meist rezeptfrei in der Apotheke kaufen können, ist die Beratung durch Apotheker und die pharmazeutischen Fachangestellten zur Risikominimierung bei älteren Menschen von besonderer Wichtigkeit.

Nehmen Sie diese Arzneimittel in der niedrigst möglichen Dosierung. Wenn damit die erwünschte Wirkung noch nicht eintritt, darf die Dosis nur vorsichtig gesteigert werden unter strikter Beachtung der erlaubten täglichen Höchstmenge und unter Berücksichtigung der Empfehlungen zu Gegenanzeigen und Anwendungsbeschränkungen gemäß der Packungsbeilage.
Diese Arzneimittel sind nur zur kurzzeitigen Anwendung vorgesehen. Bei anhaltenden Beschwerden sollten Sie einen Arzt aufsuchen; spätestens nach einer 2-wöchigen Einnahme sollte fachlich überprüft werden, ob eine Weiterbehandlung in dieser Form erforderlich und vertretbar ist.

Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!

Beobachten Sie Nebenwirkungen unter der Behandlung mit Doxylamin, Diphenhydramin bzw. Dimenhydrinat oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie das Instrument der **Rote-Hand-Briefe** und der Arzneimittelsicherheitsinformationen wirkungsvoll zeigt.

Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.

Quellen

  • AkdÄ Newsletter vom 14.06.2021
  • Blumberg A, Chatterjee S, Kommas E, Huber M: Antihistaminika der ersten Generation – Risikoaspekte bei älteren Menschen und Diskussion zur Verkaufsabgrenzung. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 2021; 12 (1): 4-10.

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