Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich?
Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen.
So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.
Liebe Patientin, lieber Patient,
lesen Sie hier unseren „patientenfreundlichen“ Hinweis zur neuen Zusammensetzung der Berlthyrox Tabletten, die ab Mitte Januar 2022 unter dem Namen L-Thyroxin BC erhältlich sein werden.
Worum geht es?
In Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) informiert der Hersteller Berlin-Chemie / Menarini Ärzte und Apotheker über die geänderte Formulierung und Produktbezeichnung und empfiehlt Vorsichtsmaßnahmen, die bei der Umstellung der Patienten auf die neuen Tabletten zu beachten sind.
Zusätzlich hat der Hersteller eine Patienteninformation erstellt und fordert die Apotheker auf, diese zusammen mit der Packung der L-Thyroxin BC-Tabletten in neuer Rezeptur dem jeweiligen Patienten auszuhändigen. Sie können die Patienteninformation auch bereits hier einsehen: Information für Patienten zu Berlthyrox® (Levothyroxin-Natrium) vom Januar 2022.
Was ist Berlthyrox bzw. L-Thyroxin BC ?
Der Wirkstoff von Berlthyrox und L-Thyrox BC ist Levothyroxin-Natrium, ein synthetisches Schilddrüsenhormon, das bei einer Schilddrüsenunterfunktion (ungenügende oder fehlende Ausschüttung von Hormonen durch die Schilddrüse oder nach operativer Entfernung der Schilddrüse) angewendet wird. Es kommt auch bei Patienten zum Einsatz, bei denen die Ausschüttung des Hormons TSH, das die Schilddrüse zur Hormonproduktion anregt, vermindert oder unterdrückt werden muss.
Hintergründe
Dieser Rote-Hand-Brief betrifft alle Stärken von Berlthyrox des Herstellers Berlin Chemie / Menarini. Die Formulierung des Arzneimittels wurde optimiert, was einen konstanteren und stabileren Gehalt des Wirkstoffs Levothyroxin-Natrium während der gesamten Dauer der Haltbarkeit des Medikaments gewährleisten soll.
Der Wirkstoff ist unverändert Levothyroxin-Natrium gleichen Ursprungs. Nur einige der Hilfsstoffe (in der Gebrauchsinformation unter „sonstige Bestandteile“ aufgeführt) wurden geändert: In der neuen Zusammensetzung wurden die Hilfsstoffe Calciumhydrogenphosphat-Dihydrat, Dextrin (aus Maisstärke), Natriumglycolat und langkettige Partialglyceride durch Cysteinhydrochlorid-Monohydrat, vorverkleisterte Stärke, Maisstärke, Magnesiumoxid und Talkum ersetzt.
Die Namensänderung wurde vorgenommen, um eine klare Unterscheidung zwischen ursprünglicher und neuer Zusammensetzung zu ermöglichen. Neben der Änderung des Arzneimittelnamens wurde auch die Packungsgestaltung angepasst.
Berlin-Chemie / Menarini betont, dass Laboruntersuchungen und klinische Studien die Gleichwertigkeit (Bio-Äquivalenz) der alten und der neuen Tablettenformulierung hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit bestätigt haben. Dennoch sei es nicht auszuschließen, dass bei einigen besonders empfindlichen Patienten Unterschiede in der Aufnahme und Wirkung des neuen Medikaments auftreten können.
Bei Patienten, die von Berlthyrox zu L-Thyroxin BC-Tabletten in der neuen Zusammensetzung wechseln, empfiehlt der Hersteller eine engmaschige Kontrolle, da aufgrund des engen therapeutischen Fensters von Levothyroxin (die Dosierungen liegen bekanntlich im Mikrogramm-Bereich!) schon kleinste Abweichungen zu einer Veränderung der Schilddrüsenstoffwechsellage führen können. Durch klinische und labordiagnostische Untersuchungen soll sichergestellt werden, dass die Patienten auch mit der neuen Formulierung die individuell richtige Dosierung ihres Schilddrüsenhormonpräparats erhalten.
Dies gilt insbesondere für Patienten, die bereits mit den bisherigen Berlthyrox-Tabletten schwer einstellbar waren, außerdem für Patienten, die an Schilddrüsenkrebs erkrankt sind, für Patienten, die an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden (Herzinsuffizienz, Erkrankung der Herzkranzgefäße, Herzrhythmusstörungen) sowie für Schwangere, ältere (über 65-jährige) Patienten und Kinder.
Diese besondere Vorsicht hält Berlin-Chemie / Menarini für geboten angesichts der Erkenntnisse, dass auch zwischen den Levothyroxin-Präparaten verschiedener Hersteller geringfügige Unterschiede in der Wirkstoff-Freisetzung und -Bioverfügbarkeit bestehen, die bei einem Präparatewechsel bei empfindlichen Patienten gravierende Veränderungen ihrer Schilddrüsenstoffwechsellage auslösen können. Aus diesem Grund sind seit 2014 Schilddrüsenpräparate von der so genannten “Aut-Idem-Regel” ausgeschlossen, die bei anderen Arzneimitteln die Abgabe eines Wirkstoff-gleichen Medikaments eines anderen als auf dem Rezept genannten Herstellers erlaubt.
Was ist zu tun?
Die Einnahme der L-Thyroxin BC-Tabletten in der neuen Zusammensetzung erfolgt wie bisher in der gleichen Dosierung und zur gleichen Tageszeit.
Trotz der nachgewiesenen Bioäquivalenz mit der bisherigen Formulierung kann durch die neue Zusammensetzung der Tabletten die Aufnahme des Wirkstoffs in Einzelfällen verändert sein. Dadurch kann eine Störung des erzielten Gleichgewichts des Schilddrüsenstoffwechsels eintreten.
Als kritische Phase der Umstellung gelten die ersten 6 bis 8 Wochen, in denen Sie L-Thyroxin BC in der neuen Zusammensetzung einnehmen. Sowohl eine schlechtere als auch eine bessere Aufnahme des Wirkstoffs ist individuell möglich.
Achten Sie daher in dieser Anfangszeit, insbesondere wenn Sie einer der oben beschriebenen “Risikogruppen” angehören, auf mögliche Veränderungen Ihrer bisherigen Schilddrüsenstoffwechsellage.
Wenn die neue Rezeptur zu einer schlechteren Aufnahme des Wirkstoffs führt, sind klinische Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion zu erwarten, z. B. ungewöhnliche Müdigkeit, Gefühl der Abgeschlagenheit / Erschöpfung, leichtes Frieren, Verstopfung.
Eine bessere, intensivere Aufnahme des Wirkstoffs äußert sich hingegen mit Symptomen einer Schilddrüsenüberfunktion wie Schwitzen, Herzklopfen oder schnellerer Herzschlag, innere Unruhe, Durchfall.
Wenn Sie Beschwerden der einen oder der anderen Art entwickeln, sollten Sie sich umgehend an Ihren Arzt wenden. Dieser wird die entsprechenden Hormonwerte im Blut (TSH, ggf. auch T4) kontrollieren. Die Dosierung von L-Thyroxin BC kann dann Ihrem aktuellen Bedarf angepasst werden.
Wichtig ist, dass Sie nach erfolgter Umstellung von Berlthyrox auf L-Thyroxin BC Tabletten in der neuen Zusammensetzung bei dieser Formulierung bleiben. Bei Reisen, vor allem ins Ausland, sollten Sie darauf achten, ausreichende Mengen Ihres Medikaments in der neuen Zusammensetzung mitzunehmen.
Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!
Beobachten Sie Nebenwirkungen unter der Behandlung mit L-Thyroxin BC (dazu zählen auch die oben beschriebenen Veränderungen der bisherigen Stoffwechsellage Ihrer Schilddrüse) oder mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die Rote-Hand-Briefe wirkungsvoll zeigen.
Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.
Quelle: RHB