Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich?
Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen.
So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.
Liebe Patientin, lieber Patient,
lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefes vom
05. November 2021 zu Brolucizumab (Beovu).
Worum geht es?
In Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) aktualisiert der Hersteller Novartis seine Empfehlungen, um das bekannte Risiko bestimmter Komplikationen am Auge, die durch die Behandlung mit Brolucizumab (Beovu) gelegentlich auftreten können, noch mehr zu verringern. Bei diesen Komplikationen handelt es sich um Entzündungen des inneren Auges, insbesondere um Entzündungen der Wände von Blutgefäßen der Netzhaut (retinale Vaskulitis), die zum Verschluss des entzündeten Blutgefäßes führen können. Beim Gefäßverschluss kann das umliegende Gewebe nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden und stirbt ab. Je nach Größe des betroffenen Areals droht Erblindung.
Brolucizumab (Handelsname Beovu) wird angewendet zur Behandlung der feuchten (neovaskulären) altersbedingten Makuladegeneration. Der Wirkstoff ist ein sogenannter monoklonaler Antikörper. Er wird direkt in den Glaskörper des Auges gespritzt: 6 mg Brolucizumab in 0,05 ml Injektionslösung.
Bei der altersbedingten feuchten (neovaskulären) Form der Makuladegeneration kommt es in der Netzhaut zur Neubildung winziger Blutgefäße (Neo-Vaskularisation) mit krankhaft durchlässigen Gefäßwänden. Dadurch können Blut und Flüssigkeit aus den Gefäßen in das umliegende Gewebe der Netzhaut eindringen, was zu einem Aufquellen der Netzhaut mit Einblutungen und damit zum Verlust der Sehschärfe führt.
Brolucizumab verhindert diese Neubildung krankhafter Blutgefäße, indem es die Bindungsstellen eines Wachstumsfaktors, der die Entwicklung neuer Blutgefäße fördert, besetzt. Dann kann der Wachstumsfaktor nicht mehr an seinen Bindungsstellen “andocken” und kann folglich auch die Gefäßneubildung nicht in Gang setzen.
- Als Folge der Behandlung mit Brolucizumab (Beovu) kann es zu entzündlichen Reaktionen im Innern des Auges (intraokular) kommen. Die inneren Entzündungen des Auges, einschließlich der Entzündung der Netzhautgefäße mit oder ohne Gefäßverschluss, können zu jedem Zeitpunkt der Behandlung mit Brolucizumab auftreten. Sie wurden jedoch häufiger zu Beginn der Behandlung beobachtet.
- Die Entzündung der Netzhautgefäße und der Gefäßverschluss sind Folge einer Immunreaktion, bei der sich Antikörper gegen den Wirkstoff gebildet haben. Nach der Gabe von Brolucizumab (Beovu) über einen Zeitraum von 88 Wochen wurden bei knapp einem Viertel (23 bis 25%) der Patienten behandlungsbedingte, gegen Brolucizumab gerichtete Antikörper entdeckt. Diese Antikörper wurden bei Patienten mit intraokularen Entzündungen vermehrt nachgewiesen. Gegen Brolucizumab gerichtete Antikörper hatten nach heutigem Erkenntnisstand aber keinen Einfluss auf die Wirksamkeit.
- Es besteht ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer intraokularen Entzündung und/oder eines retinalen Gefäßverschlusses bei 4-wöchigen Dosisintervallen während der Erhaltungsphase.
Nach den ersten 3 Injektionen, die im Abstand von 4 Wochen in den Glaskörper verabreicht werden, sollen deshalb in der Erhaltungsphase der Behandlung zwischen den nachfolgenden Anwendungen von Brolucizumab (Beovu) mindestens Abstände von 8 Wochen liegen.
- Patienten, bei denen im Jahr vor der ersten Behandlung mit Brolucizumab (Beovu) eine intraokulare Entzündung und/oder ein retinaler Gefäßverschluss aufgetreten sind/ist, sollten engmaschig überwacht werden, da bei ihnen ein Risiko für die Entwicklung einer retinalen Vaskulitis und/oder eines retinalen Gefäßverschlusses besteht.
- Das weibliche Geschlecht wurde als zusätzlicher Risikofaktor identifiziert.
Ein zahlenmäßig höheres Auftreten von intraokularer Entzündung und/oder retinalem Gefäßverschluss wurde außerdem bei Patienten japanischer Abstammung beobachtet.
- Bei Patienten, die intraokulare Entzündungen einschließlich retinaler Vaskulitis und/oder retinalem Gefäßverschluss entwickeln, soll die Behandlung mit Brolucizumab (Beovu) abgebrochen und die jeweilige Erkrankung umgehend behandelt werden.
Die Patienten sollen dahingehend aufgeklärt werden, wie sie frühe Anzeichen und Symptome einer intraokularen Entzündung, retinalen Vaskulitis und eines retinalen Gefäßverschlusses erkennen, und angewiesen werden, bei Verdacht auf diese Nebenwirkungen unverzüglich einen Arzt aufzusuchen.
Die Produktinformation von Brolucizumab (Beovu) wird entsprechend aktualisiert, um die neuesten Erkenntnisse und die neuen Empfehlungen zu berücksichtigen.
Was ist zu tun?
Wenn Sie wegen einer feuchten (neovaskulären) altersbedingten Makuladegeneration mit Injektionen von Brolucizumab (Beovu) in den Glaskörper behandelt werden, achten Sie vor allem auf folgende Beschwerden, die sich innerhalb kurzer Zeit, auch noch Tage nach der Injektion entwickeln können und auf eine innere Augenentzündung hindeuten könnten:
- Schmerzen am Augapfel
- Rötung der ansonsten weißen Lederhaut, ggf. mit Abzeichnung von Blutgefäßen
- Schleier-Sehen (“wie im Nebel”)
- Lichtempfindlichkeit des Auges
- Vermehrter Tränenfluss
- Allgemeines Krankheitsgefühl
Reizungen mit vorübergehender Verschlechterung des Sehvermögens, Druckgefühl und Tränenfluss am Tag der Behandlung und am darauffolgenden Tag sind normale Reaktionen. Wenn Sie unsicher sind, ob es sich um eine harmlose, vorübergehende Irritation des behandelten Auges oder um ernstzunehmende Beschwerden handelt, nehmen Sie vorsorglich Kontakt zu Ihrem Augenarzt auf, um eine beginnende innere Augenentzündung nicht zu verschleppen, da sich damit das Risiko von Gefäßentzündung (Vaskulits) und/oder Gefäßverschluss erhöht.
Besonders aufmerksam sollten Sie sein, wenn Sie eine Frau sind oder aus Japan stammen.
Wenn Sie in der Vergangenheit – insbesondere in dem Jahr vor Behandlungsbeginn mit Brolucizumab (Beovu) – schon einmal an einer inneren Augenentzündung gelitten haben, ist erhöhte Vorsicht geboten. Damit Ihr Augenarzt Sie wie empfohlen dann nach jeder Behandlung engmaschig überwachen kann, vergessen Sie bitte auf keinen Fall, diese Vorerkrankung beim ärztlichen Aufklärungsgespräch zu Protokoll zu geben!
Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!
Beobachten Sie Nebenwirkungen unter der Behandlung mit Brolucizumab (Beovu) oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die **Rote-Hand-Briefe** wirkungsvoll zeigen.
Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.
Quellen: RHB