Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich?
Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.
Liebe Leserin, lieber Leser,
beachten Sie bitte unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefs vom 23. Juni 2021 zur Covid-19 Vakzine AstraZeneca (Vaxzevria).
Außerdem verweisen wir auf die bereits veröffentlichten Rote-Hand-Briefe zur Covid-19 Vakzine AstraZeneca (Vaxzevria) vom 03. Juni 2021, 13. April 2021 sowie 24. März 2021. Diese Rote-Hand-Briefe behandeln detailliert das Risiko einer Thrombozytopenie und Blutgerinnungsstörungen im Zusammenhang mit dem Impfstoff von AstraZeneca (Vaxzevria).
Worum geht es im Rote-Hand-Brief zu Vaxzevria?
Im Einvernehmen mit der Europäischen-Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) informiert die AstraZeneca GmbH über die neue Kontraindikation dieses Impfstoffs bei Personen, die in ihrer medizinischen Vorgeschichte einmal an einem Kapillarlecksyndrom (Capillary-Leak-Syndrom, CLS) gelitten haben oder noch daran leiden (chronische CLS). Diese Patienten dürfen nicht mit Vaxzevria geimpft werden.
Kapillarlecksyndrom (Capillary-Leak-Syndrom, CLS)
Das Kapillarlecksyndrom, auch Clarkson-Syndrom genannt nach dem Arzt, der es 1960 als erster beschrieben hatte, gilt als potenziell lebensbedrohliches, aber sehr seltenes Krankheitsbild. Es kennzeichnet sich durch eine erhöhte Durchlässigkeit der Kapillargefäße, also der feinsten Verästelungen der Arterien und Venen. Sie bilden ein feines Netzwerk in den Organen und Geweben des Körpers und ermöglichen den Stoffaustausch zwischen Blut und Gewebe. Der Durchmesser der Kapillaren ist gerade so groß, dass rote Blutkörperchen hintereinander hindurchpassen.
Der Pathomechanismus, der zum Kapillarlecksyndrom führt, ist noch weitgehend unklar. Für die erhöhte Durchlässigkeit der Kapillaren werden Zytokine, das sind Entzündungsmediatoren, also Eiweißsubstanzen wie beispielsweise Interleukin und Leukotriene diskutiert. Auch eine angeborene (genetische) Vorbelastung könnte als eine mögliche Ursache dieser Erkrankung eine Rolle spielen.
Bei erhöhter Durchlässigkeit der Kapillarwände können der flüssige Bestandteil des Blutes (Blutplasma) und darin enthaltene Eiweiße (Plasmaproteine) aus dem Inneren der Kapillargefäße in das sie umgebende Gewebe (Interstitium) austreten.
Infolgedessen sammelt sich im umliegenden Gewebe viel Wasser an, und die betroffenen Patienten entwickeln ein generalisiertes Ödem (über den ganzen Körper verteilte Wassereinlagerungen). Erkennbare Symptome sind neben Bauchschmerzen und Übelkeit vor allem eine rasch fortschreitende Schwellung von Armen und Beinen verbunden mit einer plötzlichen Gewichtszunahme.
Das Wasser, was im ganzen Körper einlagert wird, fehlt folglich aber im Blutvolumen, so dass es zu einer Bluteindickung (Hämokonzentration) mit Abfall des Blutdrucks kommt, was sich beim Patienten als ausgeprägtes Schwächegefühl äußert.
Da aber nicht nur die Flüssigkeit des Blutes, sondern auch die darin enthaltenen Eiweiße (Plasmaproteine) durch die Kapillaren in das umliegende Gewebe austreten, entsteht im zirkulierenden Blut ein Eiweißmangel, insbesondere des Eiweißes namens Albumin (Entwicklung einer Hypoalbuminämie). Dieser Eiweißmangel sorgt für einen geringeren osmotischen Druck im Blut und fördert so den weiteren Wasseraustritt aus den Kapillaren in das umliegende Gewebe.
Diese körperlichen Reaktionen können zum Organversagen insbesondere der Nieren führen. Der betroffene Patient benötigt daher eine umgehende Diagnosestellung und ärztliche, meist intensiv-medizinische Behandlung.
Hintergrund zu den Sicherheitsbedenken bei Vaxzevria
In den ersten Tagen nach der Impfung mit der Covid-19 Vakzine AstraZeneca (Vaxzevria) sind sehr selten Fälle des Kapillarlecksyndroms (Capillary-Leak-Syndrome, CLS) aufgetreten, einer davon mit tödlichem Ausgang. Bei einigen dieser Patienten war bereits in der medizinischen Vorgeschichte ein Kapillarlecksyndrom in Erscheinung getreten.
Aus diesem Grund ist die Impfung mit der Covid-19 Vakzine AstraZeneca (Vaxzevria) jetzt bei Personen kontraindiziert, bei denen schon einmal ein Kapillarlecksyndrom diagnostiziert wurde.
Was ist zu tun?
Sollten Sie vor kurzem mit der Covid-19 Vakzine AstraZeneca (Vaxzevria) geimpft worden sein, achten Sie auf die nachfolgend beschriebenen Symptome, die auf die Entwicklung eines Kapillarlecksyndroms hindeuten können. Dies gilt umso mehr für Patienten, die bereits in der Vergangenheit an einem Kapillarlecksyndrom gelitten haben.
Dennoch: Das Auftreten des Kapillarlecksyndroms ist äußert selten. Im Zusammenhang mit der Covid-19 Vakzine AstraZeneca (Vaxzevria) liegt die Häufigkeit nach Schätzungen bei einem Fall auf mehr als 5 Millionen Impfdosen.
- Anschwellen der Arme und Beine mit Spannungsgefühl
- Plötzliche Gewichtszunahme
- Schwächegefühl
- Niedriger Blutdruck
- Bauchschmerzen
- Übelkeit
Wenn Ihnen eine Impfung mit der Covid-19 Vakzine AstraZeneca (Vaxzevria) noch bevorsteht und bei Ihnen schon einmal die Diagnose eines Kapillarlecksyndroms gestellt worden ist, dürfen Sie diesen Impfstoff ab sofort nicht (mehr) erhalten. Sprechen Sie unbedingt Ihren Hausarzt bzw. den Arzt im Impfzentrum auf eine solche Vorgeschichte an.
Außerdem gilt: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!
Beobachten Sie Nebenwirkungen nach der Impfung mit der Covid-19 Vakzine AstraZeneca, einem anderen Impfstoff oder auch während der Einnahme von Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die **Rote-Hand-Briefe** wirkungsvoll zeigen.
Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.