Crizotinib (Xalkori): Sehstörungen, einschließlich des Risikos eines schweren Verlustes des Sehvermögens. Überwachungsbedarf bei Patienten im Kindes- und Jugendalter

Crizotinib (Xalkori): Sehstörungen, einschließlich des Risikos eines schweren Verlustes des Sehvermögens. Überwachungsbedarf bei Patienten im Kindes- und Jugendalter

Crizotinib (Xalkori): Sehstörungen, einschließlich des Risikos eines schweren Verlustes des Sehvermögens. Überwachungsbedarf bei Patienten im Kindes- und Jugendalter

Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich?

Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.

Liebe Patientin, lieber Patient,

Lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefes zum Risiko von Sehstörungen, einschließlich des Verlustes des Sehvermögens, auch bei Kindern und Jugendlichen.

Worum geht es?

In Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) möchte Sie der Arzneimittelhersteller Pfizer über Folgendes informieren:

Sehstörungen sind ein bekanntes Risiko bei der Krebsbehandlung Erwachsener mit Crizotinib. Über Sehstörungen wurde auch bei 61 % der pädiatrischen Patienten (d.h. bei Erkrankten im Kindes- und Jugendalter) in klinischen Studien mit Crizotinib berichtet.
Da pädiatrische Patienten Veränderungen der Sehkraft möglicherweise nicht spontan berichten oder bemerken, sollten Angehörige von Gesundheitsberufen Patienten und deren Betreuungspersonen über die Symptome von Sehstörungen und das Risiko eines Verlusts des Sehvermögens informieren und sie auffordern, sich an den behandelnden Arzt zu wenden, wenn Veränderungen beim Sehen oder der Verlust des Sehvermögens auftreten.

 Pädiatrische Patienten sollten daher gezielt auf Sehstörungen untersucht werden.
Vor Beginn der Behandlung mit Crizotinib sollte eine Basisuntersuchung der Augen erfolgen und Nachuntersuchungen innerhalb eines Monats nach Behandlungsbeginn, danach alle 3 Monate durchgeführt werden sowie bei Auftreten (neuer) Veränderungen des Sehvermögens.
In den meisten Fällen war es zu Sehstörungen bereits in der ersten Behandlungswoche gekommen.

Hintergrundinformationen

Crizotinib (Xalkori) ist seit 2012 als alleinige Behandlung von erwachsenen Patienten mit ALK- positivem oder fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC = Non-Small-Cell Lung Cancer) und seit 2016 auch bei ROS1-positivem NSCLC zugelassen.

ALK und ROS1 sind sogenannte Tumor-Marker:
ALKpositiv bedeutet, dass die bösartige Entartung der Zellen durch eine erblich bedingte, d.h. genetische Veränderung des Proteins Anaplastische Lymphom Kinase (ALK) ausgelöst wird. Wenn ein nicht-kleinzelliger Lungenkrebs eine sogenannte ALK-Translokation aufweist, also ALK-positiv ist, profitieren die Patienten davon, wenn sie bei fortgeschrittenem Tumorleiden mit einem ALK-Hemmer wie Crizotinib behandelt werden.

ROS1 ist dem ALK-Protein strukturell sehr ähnlich. Es wird auch als Proto-Onkogen1 bezeichnet, gehört zu den Rezeptortyrosinkinasen und spielt bei Wachstums- und Differenzierungsvorgängen der Zellen und Gewebe eine Rolle.

Bei Erwachsenen wurden bei 63 % der Patienten (1084 von 1722) in klinischen Studien mit ALK-positivem oder ROS1-positivem, fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs, die mit Xalkori behandelt wurden, Sehstörungen festgestellt.
Der Verlust des Sehvermögens Grad 4 wurde bei 4 (0,2 %) Patienten festgestellt. Als mögliche Ursachen für den Verlust des Sehvermögens wird eine Optikusatrophie, d.h. ein unumkehrbares, irreparables Absterben der Nervenfasern des Sehnerven (Nervus Opticus) oder eine tiefgreifende Funktionsstörung des Sehnerven vermutet, was zu Gesichtsfeldeinschränkungen und zu einer Sehverschlechterung führt.

Seit 28.10.2022 ist Crizotinib auch bei pädiatrischen Patienten (Alter zwischen 6 und 18 Jahren) als alleinige Therapie zugelassen zur Behandlung des rezidivierendem oder refraktären ALK-positiven anaplastischen großzelligen Lymphoms (ALCL = anaplastic large-cell lymphoma) sowie des rezidivierenden oder refraktären ALK-positiven nicht-operablen entzündlichen myofibroblastischem Tumors (IMT = inflammatory myofibroblastic tumour), das heißt wenn diese beiden bösartigen Erkrankungen entweder trotz vorheriger (anderer Behandlung) erneut auftraten oder auf keine vorherige Therapie angesprochen haben.

Bei diesen pädiatrischen Patienten zwischen 6 und 18 Jahren, die in klinischen Studien mit Crizotinib wegen einer dieser beiden bösartigen Erkrankungen behandelt wurden, waren bei 61% (25 von 41) Sehstörungen festgestellt worden. Die häufigsten Symptome waren verschwommenes Sehen (24 %), beeinträchtigtes Sehen (20 %), Lichtblitze/Photopsie (17 %) und Glaskörpertrübungen (15 %). Von den 25 Patienten, bei denen Sehstörungen auftraten, war bei einem Patienten eine Funktionsstörung des Sehnerven 3. Grades nachweisbar.

Sehstörungen sind bei pädiatrischen Patienten schwieriger zu erkennen, da Kinder und Jugendliche ohne gezielte Befragung von sich aus möglicherweise keine Veränderungen der Sehkraft melden oder bemerken. Aus diesen Gründen wird für pädiatrische Patienten mit ALK-positivem ALCL oder ALK- positivem IMT Folgendes empfohlen:

  • Medizinisches Fachpersonal soll die jungen Patienten und deren Betreuungspersonen über die Symptome von Sehstörungen (z. B. wahrgenommene Lichtblitze, verschwommenes oder unscharfes Sehen, Lichtempfindlichkeit, Glaskörpertrübung) und das mögliche Risiko des Auftretens eines Sehverlustes informieren.
     
  • Bei jungen Patienten mit ALK-positivem ALCL oder IMT sollte vor Beginn der Behandlung mit Crizotinib eine Ausgangsuntersuchung der Augen und der Sehschärfe durchgeführt werden.
     
  • Augenärztliche, d.h. ophthalmologische Nachuntersuchungen sollten innerhalb eines Monats nach Beginn der Behandlung mit Crizotinib und danach alle drei Monate sowie außer der Reihe bei Auftreten neuer visueller Symptome jeglicher Art durchgeführt werden.
    Die ophthalmologische Untersuchung sollte folgendes berücksichtigen: Bestimmung der best-korrigierten Sehschärfe, Netzhautfotografien, Bestimmung des Gesichtsfeldes sowie eine optische Kohärenztomographie (OCT); gegebenenfalls können noch andere Beurteilungsmethoden herangezogen werden.
     
  • Bei Patienten, die Sehstörungen von Grad 2 (mittelschwere Symptome, die mit einer Beeinträchtigung altersentsprechender Alltagsaktivitäten verbunden sind) entwickeln, ist eine Dosisreduktion von Crizotinib in Betracht zu ziehen.
     
  • Crizotinib sollte bei Verdacht auf Sehstörungen des Grades 3 oder 4 (deutliche Verringerung oder Verlust des Sehvermögens) bis zur Abklärung pausiert werden. Sofern keine andere Ursache festgestellt wird, sollte Crizotinib bei Augenerkrankungen von Grad 3 oder 4 dauerhaft abgesetzt bleiben.
    Die Produktinformationen, der Leitfaden für das medizinische Fachpersonal sowie die Patientenkarte für die sichere Anwendung für Patienten und Betreuungspersonen wurden aktualisiert und enthalten nun Hinweise/Empfehlungen für pädiatrische Patienten über das Risiko von Sehstörungen, einschließlich eines möglichen schweren Verlustes des Sehvermögens.

Was ist zu tun?

Wenn Sie einen jungen Patienten betreuen, der wegen eines wiederkehrenden  oder therapieresistenten anaplastischen großzelligen Lymphoms (ALCL) oder wegen eines rezidivierenden bzw. refraktären nicht-operierbaren entzündlichen myofibroblastischen Tumors (IMT) mit positivem Nachweis einer erblich bedingten ALK-Mutation mit Crizotinib behandelt wird, achten Sie auf Verhaltensänderungen oder scheinbare Ungeschicklichkeiten, die ein Hinweis auf eine neu aufgetretene Sehstörung sein könnten.

Fragen Sie das Kind oder den Jugendlichen nach typischen Beschwerden und Symptomen wie unscharfes, verschwommenes Sehen, Lichtblitze oder auch farbige Umrandungen gesehener Objekte.

Bei Auffälligkeiten dieser Art nehmen Sie bitte zeitnah Kontakt zum behandelnden Arzt des jungen Patienten auf. 

Nehmen Sie mit Ihrem Schützling die vom behandelnden Arzt vorgegebenen augenärztlichen Kontrolltermine unbedingt wahr bzw. sorgen Sie dafür, dass der Jugendliche diese Kontrolltermine nicht versäumt.

Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!

Beobachten Sie bei Ihrem Schützling oder bei sich selbst Nebenwirkungen unter der Behandlung mit Crizotinib oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die **Rote-Hand-Briefe** wirkungsvoll zeigen.

Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.

Quellen: RHB

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