Was sind Drug Safety Mails?
Drug Safety Mail oder zu Deutsch: Arzneimittel-Sicherheitsbrief ist der Name des Newsletters der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Sie werden regelmäßig veröffentlicht und enthalten – ähnlich wie die Rote-Hand-Briefe – aktuelle Informationen zu möglichen Risiken von Medikamenten. Um Ihnen die bestmögliche medizinische Aufklärung zu bieten, möchten wir Ihnen auch diese Informationen in einer patienten-freundlicheren Sprache zugänglich machen.
Liebe Patientin, lieber Patient,
lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung der Arzneimittelsicherheitsinformation der Arzeimittelkommission (AkdÄ) vom 24. September 2021 zum Covid-19-Impfstoff von AstraZeneca: „Aus der UAW-Datenbank“: Guillain-Barré-Syndrom im Zusammenhang mit COVID-19 Vaccine AstraZeneca (Vaxzevria®).
Worum geht es?
Der adenovirale Vektorimpfstoff Vaxzevria® (COVID-19 Vaccine AstraZeneca) wird angewendet zur Vorbeugung von Covid-19. Fallberichte im Spontanmeldesystem und in der Literatur deuten darauf hin, dass das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) eine Nebenwirkung von Vaxzevria® sein könnte. GBS wurde nun als sehr seltene Nebenwirkung in die Fachinformationen von Vaxzevria® aufgenommen und auch von COVID-19 Vaccine Janssen®, da es sich dabei ebenfalls um einen Vektorimpfstoff mit Verwendung eines Adenovirus handelt.
Was ist ein Guillain-Barré-Syndrom?
Das GBS ist eine akute, potenziell lebensbedrohliche Autoimmunerkrankung des peripheren Nervensystems, die sich typischerweise mit rasch aufsteigenden, schlaffen Lähmungen sowie teilweise auch sensorischen und autonomen Störungen manifestiert. Typisch ist die sogenannte zytoalbuminäre Dissoziation im Nervenwasser (Liquor) mit erhöhtem Eiweiß bei normaler Zellzahl. Bis zu 30 % der Patienten entwickeln Atemprobleme und müssen beatmet werden. Patienten müssen sorgfältig überwacht und ggf. mit Infusionen von Immunglobulinen oder mit Plasmaaustausch behandelt werden.
Die Symptome erreichen in der Regel innerhalb von vier Wochen nach Krankheitsbeginn ihren Höhepunkt. Die Erholungsphase kann Monate bis Jahre dauern.
In Nordamerika und Europa erkranken jährlich ungefähr 0,8 bis 1,9 Menschen pro 100.000 Einwohner neu an GBS. Häufig tritt das GBS innerhalb von vier Wochen nach bakteriellen oder viralen Infektionen auf. Verschiedene Erreger wie Campylobacter jejuni, Mycoplasma pneumoniae, Cytomegalie-Virus, Epstein-Barr-Virus, Hepatitis-A-Virus und Influenza-A-Virus werden als mögliche Auslöser genannt. Der Mechanismus der Krankheitsentstehung ist noch nicht vollständig geklärt. Man nimmt an, dass Autoantikörper und Entzündungszellen mit Oberflächenstrukturen an den peripheren Nerven und Nervenwurzeln kreuzreagieren und zu Zerstörung der Nervenhüllen (Demyelinisierung) und/oder direkter Schädigung der Nerven (Axone) führen.
GBS wurde auch wiederholt im Zusammenhang mit Covid-19-Infektionen beschrieben.
Doch auch nach Impfung mit dem Covid-19-Vektorimpfstoff von AstraZeneca und anderen Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 werden in der Literatur Fälle von GBS beschrieben.
Dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wurden bis zum 31.07.2021 insgesamt 84 Fallberichte eines GBS im Zusammenhang mit Vaxzevria® (aus Deutschland) gemeldet. In sieben Fällen gab es Hinweise auf andere (z. B. infektiöse) Auslöser. Betroffen waren jeweils 42 Männer und Frauen im Alter von 21 bis 93 Jahren (bei zwei Patienten wurde kein Alter angegeben).
Die ersten Symptome traten im Mittel 17 Tage nach der Impfung mit dem Vektorimpfstoff auf.
Demgegenüber wurden nur 59 Fälle von GBS im Zusammenhang mit Comirnaty® (BioNTech/Pfizer), sieben im Zusammenhang mit Spikevax® (Moderna) und 18 nach Impfung mit Covid-19 Vaccine Janssen (Johnson & Johnson) berichtet.
Über die AkdÄ wurde der Fall eines 35-jährigen Patienten gemeldet, der zwei Wochen nach Erstimpfung gegen Covid-19 mit Vaxzevria® zunächst ein Taubheitsgefühl an den Füßen sowie kribbelnde Missempfindungen (Kribbelparästhesien) an den Fingern entwickelt hat. Im Verlauf kamen innerhalb von neun Tagen eine schlaffe, leicht rechtsbetonte Lähmung aller Gließmaßen (Tetraparese) mit abgeschwächten bzw. ausgefallenen Muskeleigenreflexen sowie eine Lähmung des Gesichtsnerven (periphere Fazialisparese) rechts hinzu, die zur stationären Aufnahme führte.
Aufgrund der typischen Befunde wurde die Diagnose eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS) gestellt. Da keine anderen Ursachen für ein GBS identifiziert werden konnten, wurde ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung gegen Covid-19 vermutet.
Unter der Behandlung mit Immunglobulinen (Infusionen über fünf Tage) besserte sich der Zustand des Patienten zunächst, und er konnte entlassen werden. Einige Tage später erfolgte die Wiederaufnahme, da sich die Gesichtslähmung verschlechtert hatte. Der Patient wurde erneut mit Immunglobulinen (Infusionen über drei Tage) behandelt und schließlich in eine stationäre neurologische Rehabilitation entlassen.
Alle Meldungen finden Eingang in die Datenbank der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Diese und das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI) untersuchen in den regelmäßig durchgeführten „Observed-to-exspected“-Analysen, ob Ereignisse häufiger im Zusammenhang mit einer Impfung gegen SARS-CoV-2 berichtet werden, als dies in der Allgemeinbevölkerung zu erwarten wäre.
Dabei ergab sich ein statistisches Signal für die Vektorimpfstoffe Vaxzevria® und auch für Covid-19 Vaccine Janssen, nicht jedoch für die mRNA-Impfstoffe (Comirnaty® und Spikevax®).
Auf Empfehlung des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arneimittelagentur (EMA) wurde GBS daher nun als sehr seltene Nebenwirkung in die Produktinformationen von Vaxzevria® und Covid-19 Vaccine Janssen aufgenommen.
Was ist zu tun?
Die AkdÄ mahnt Ärzte zu besonderer Aufmerksamkeit: Wenn nach der Impfung insbesondere mit Vaxzevria® oder mit Covid-19 Vaccine Janssen® neurologische Symptome auftreten, wie z. B. schlaffe Lähmungen (Paresen) oder beidseitige (symmetrische) Störungen des Empfindens an Händen und/oder Füßen, sollte ein GBS erwogen und die Patienten entsprechend untersucht und behandelt werden. Bei der Meldung solcher Fälle sollten nach Möglichkeit weitere Informationen, insbesondere zu möglichen Differenzialdiagnosen (z.B. kürzliche bakterielle oder virale Infektionen mit entsprechenden Befunden) zur Verfügung gestellt werden.
Wenn Sie die Covid-19-Impfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca erhalten haben und sich innerhalb der nachfolgenden 2 Wochen zunehmend unwohl fühlen mit Verminderung der Muskelkraft bis hin zu Lähmungserscheinungen sowie Missempfindungen bzw. Taubheitsgefühlen an Händen und/oder Füßen, sollten Sie sich zeitnah bei Ihrem behandelnden Arzt vorstellen.
Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!
Beobachten Sie Nebenwirkungen nach der Impfung mit dem AstraZeneca oder auch einem anderen Covid-19-Impfstoff oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie das Instrument der **Rote-Hand-Briefe** und der Arzneimittelsicherheitsinformationen wirkungsvoll zeigt.
Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.