Guanfacin: Rebound-Hypertonie und posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom (PRES) nach abruptem Absetzen

Guanfacin: Rebound-Hypertonie und posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom (PRES) nach abruptem Absetzen

Guanfacin: Rebound-Hypertonie und posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom (PRES) nach abruptem Absetzen

Was sind Drug Safety Mails?

Drug Safety Mail oder zu Deutsch: Arzneimittel-Sicherheitsbrief ist der Name des Newsletters der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Sie werden regelmäßig veröffentlicht und enthalten – ähnlich wie die Rote-Hand-Briefe – aktuelle Informationen zu möglichen Risiken von Medikamenten.

Um Ihnen die bestmögliche medizinische Aufklärung zu bieten, möchten wir Ihnen auch diese Informationen in einer patienten-freundlicheren Sprache zugänglich machen.

Liebe Patientin, lieber Patient,

lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung der Arzneimittelsicherheitsinformation der Arzneimittelkommission (AkdÄ) vom 4. November 2021 zum Risiko eines Bluthochdrucks (Hypertonie) und einer vorübergehenden Beeinträchtigung der Gehirnfunktion (Enzephalopathie) nach abrupter Beendigung der Einnahme von Guanfacin.

Worum geht es?

Der AkdÄ wurde der Fall eines 14-jährigen Jungen gemeldet, der wegen einer ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) mit Guanfacin 3 mg/d (Handelsname “Intuniv retard”, Hersteller Takeda) und Methylphenidat 20 mg/d (z.B. “Ritalin” oder auch “Medikinet” oder “Concerta”) behandelt wurde. Drei Tage nach abruptem Absetzen beider Arzneimittel durch den Kinderarzt entwickelte er Erbrechen und Kopfschmerzen. Zwei Tage später erfolgte die stationäre Aufnahme wegen eines länger als “normalerweise” verlaufenen (protrahierten) Krampfanfalls als Symptom eines posterioren reversiblen Enzephalopatie-Syndroms (PRES); erhöhte Blutdruckwerte wurden beobachtet. Ein Zusammenhang mit dem abrupten Absetzen von Guanfacin wurde vermutet und dieses – zusätzlich zu einer blutdrucksenkenden Medikation – in niedrigerer Dosierung wieder begonnen. Die Symptome besserten sich im Verlauf von Tagen.

Ein PRES kann sich durch akut oder subakut auftretende neurologische Symptome wie Kopfschmerzen, Sehstörungen, Übelkeit, Bewusstseinsstörungen oder Krampfanfälle manifestieren, häufig in Verbindung mit einem erhöhten arteriellen Blutdruck. Die Ursachen des PRES sind nicht abschließend geklärt. Diskutiert werden unter anderem eine gestörte Regulation der Hirndurchblutung mit Entwicklung eines Hirnödems als Folge eines erhöhten Blutdrucks.

Guanfacin (Intuniv retard) wird bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 6-17 Jahren im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie zur Behandlung von ADHS angewendet, für die eine Behandlung mit Stimulanzien (wie Methylphenidat) nicht in Frage kommt, eine Unverträglichkeit besteht oder diese sich als unwirksam erwiesen haben. Es darf auch mit Methylphenidat kombiniert eingenommen werden. Das Behandlungskonzept sollte neben der medikamentösen Therapie auch psychologische, pädagogische und soziale Maßnahmen umfassen.

Der Wirkstoff Guanfacin war ursprünglich als Medikament gegen hohen Blutdruck entwickelt worden und kann auch bei Anwendung zur Behandlung von ADHS zu niedrigen Blutdruckwerten führen. Wie bei vielen blutdrucksenkenden Medikamenten kann es bei abruptem Absetzen zur sogenannten Rebound-Hypertonie kommen, einem Absetzsyndrom, bei dem der Blutdruck in die Höhe schnellt und den Ausgangswert vor der Einnahme des Arzneimittels übersteigt.
Deshalb wird in der Produktinformation von Guanfacin (Intuniv retard) ein ausschleichendes Absetzen mit vorsichtiger Verringerung der Dosis in Schritten von höchstens 1 mg alle drei bis sieben Tage empfohlen. Während der Dosisreduktion und nach endgültigem Absetzen müssen Blutdruck und Puls überwacht werden. Fälle von hypertensiver Enzephalopathie (bluthochdruck-bedingte Störung der Gehirnfunktion) nach abruptem Absetzen wurden bisher nur sehr selten beobachtet.

Was ist zu tun?

Wenn Ihr Kind wegen einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) mit Guanfacin (Intuniv retard) behandelt wird und diese Therapie aus welchen Gründen auf immer beendet werden soll, achten Sie darauf, dass die Dosis von Guanfacin (Intuniv retard) langsam und schrittweise verringert wird. Das Medikament steht in den Dosierungen 1 mg, 2 mg, 3 mg und 4 mg jeweils als Retard-Tablette zur Verfügung. Die Tabletten sind in ihrer jeweiligen Dosisstärke nicht teilbar. Es muss also zum Absetzen des Medikaments eine neue Verordnung mit entsprechend geringerer Dosis ausgestellt werden. Am besten geeignet sind die Retardtabletten der Dosis-Stärke 1 mg, von denen dann einmal täglich die jeweilige Anzahl der gewünschten Dosierung eingenommen werden kann.

Achten Sie bei Ihrem Kind auf Symptome wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Sehstörungen oder auch Benommenheit. Sie könnten Vorboten einer Hirnfunktionsstörung infolge eines sich entwickelnden Bluthochdrucks sein.

Wenn Sie selbst ein Blutdruckmessgerät besitzen und damit umgehen können, messen Sie Ihrem Kind in der Phase des Ausschleichens von Guanfacin (Intuniv retard) einmal täglich den Blutdruck und notieren Sie diesen Wert und auch den Puls (Geschwindigkeit des Herzschlags), der vom Blutdruckmessgerät zusammen mit dem Blutdruckwert angezeigt wird. Die Messung sollte möglichst immer zur gleichen Tageszeit erfolgen. Ihr Kind sollte sich unmittelbar vor der Messung nicht körperlich angestrengt oder sportlich betätigt haben.
Wenn Sie kein eigenes Blutdruckmessgerät haben, nutzen Sie den Service der Apotheken zur Blutdruckmessung oder lassen Ihr Kind in der Arztpraxis überwachen. 

Zögern Sie nicht, den behandelnden Arzt Ihres Kindes (oder zumindest den nächsten Apotheker) zu kontaktieren, wenn Ihr Kind über zuvor nicht dagewesene Symptome und Befindlichkeitsstörungen, Auffälligkeiten klagt oder Ihnen erhöhte Blutdruckwerte auffallen.

Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!

Beobachten Sie Nebenwirkungen während der Einnahme oder nach Absetzen von Guanfacin (Intuniv retard) oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus,  um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie das Instrument der **Rote-Hand-Briefe** und der Arzneimittelsicherheitsinformationen wirkungsvoll zeigt.

Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.

Quelle: DSM      

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