Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich?
Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.
Liebe Patientin, lieber Patient,
lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefes vom 17. Februar 2021 zu Lojuxta®(Lomitapid).
Worum geht es?
In Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erinnert der Hersteller Amryt Pharmaceuticals DAC daran, dass die Maßnahmen zur Minimierung des Risikos einer Leberschädigung durch die Einnahme von Lojuxta®(Lomitapid) beachtet werden müssen, die im Schulungsmaterial (Leitfaden für medizinische Fachkräfte) und in der Fachinformation beschrieben sind.
Des Weiteren wird erneut betont, dass Schwangere mit diesem Arzneimittel nicht behandelt werden dürfen.
Was ist Lojuxta® und wie wirkt es?
Lojuxta® wird zusammen mit einer fettarmen Diät und anderen Behandlungen zur Senkung der Blutfette eingesetzt bei erwachsenen Patienten mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie (HoFH).
HoFH ist eine seltene Erkrankung, die von beiden Elternteilen vererbt wird und zu einer hohen Konzentration von Cholesterin im Blut führt. Die Leber von HoFH-Patienten kann freies Cholesterin nur schwer aus dem Blut entfernen. Das bedeutet, dass sich LDL-Cholesterin (Low Density Lipoprotein, „schlechtes“ Cholesterin) in den Arterien anreichert und Ablagerungen (Plaques) an den Gefäßwänden erzeugt, welche die Blutgefäße verengen und Herzerkrankungen verursachen können.
Lojuxta® enthält den Wirkstoff Lomitapid. Er hemmt einen Eiweißstoff (Protein), der an der Bildung von Cholesterin in der Leber und an der Aufnahme von Fetten aus der Nahrung durch den Darm ins Blut beteiligt ist. Durch diesen Wirkmechanismus wird weniger Cholesterin in der Leber gebildet und die Fettaufnahme aus der Nahrung verringert, was die Konzentration von Fetten und Cholesterin im Blut senkt, nämlich von:
- LDL-Cholesterin (Low-Density Lipoprotein, sogenanntes “schlechtes” Cholesterin – im Gegensatz zum HDL= High-Density Lipoprotein, das als “gutes” Cholesterin bezeichnet wird) – Gesamtcholesterin
- Apolipoprotein B (Transporteiweiß im Blut für das “schlechte” Cholesterin) – Triglyceride (die im Gegensatz zu Cholesterin als “Neutralfette” bezeichnete Lipide, die im Blut transportiert werden)
Lomitapid kann zu einer Erhöhung der Transaminasen, der Alaninaminotransferase (ALT, auch als GPT bezeichnet) und der Aspartataminotransferase (AST oder GOT) sowie zu einer Fettleber (lateinisch: Steatosis hepatis) führen. Die Veränderungen der Leberenzymwerte können jederzeit während der Behandlung auftreten, meist jedoch zu Beginn der Behandlung in der Phase der Dosisfindung mit schrittweise steigenden Einnahmemengen des Wirkstoffs. Aus einer Fettleber kann sich Jahre später eine Leberzirrhose (Schrumpfleber) entwickeln, die zu einer massiven Beeinträchtigung der Leberfunktion bis hin zu deren lebensbedrohlichem Versagen mit Bauchwassersucht (lateinisch: Ascites) und Leberkoma führen kann.
Bei der Anwendung von Lomitapid muss daher Folgendes beachtet werden:
- Lomitapid darf bei Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Beeinträchtigung der Leber sowie bei fortbestehenden ungeklärten anomalen Leberfunktionswerten nicht angewandt werden (absolute Kontraindikation).
- Die Leberfunktion muss vor Beginn und während der Behandlung, insbesondere vor einer Dosiserhöhung überwacht werden.
- Vor Beginn der Behandlung und danach jährlich sollte in Zusammenarbeit mit einem Spezialisten für Lebererkrankungen (Hepatologen) eine Untersuchung zur Feststellung einer Fettleber oder beginnenden Leberfibrose (bindegewebiger Umbau des Lebergewebes, Vorstufe einer Schrumpfleber / Leberzirrhose) erfolgen.
In den Tierversuchsstudien vor der Zulassung des Arzneimittels hat man Missbildungen bei den Nachkommen der Labortiere, die Lomitapid erhalten hatten, festgestellt. Wegen dieser “teratogenen” Effekte dürfen schwangere Frauen mit diesem Arzneimittel nicht behandelt werden. Vor Beginn der Behandlung muss daher bei Frauen im gebärfähigen Alter durch einen (negativen) Schwangerschaftstest sichergestellt werden, dass keine Schwangerschaft besteht, sowie eine anerkannt wirksame Methode zur Empfängnisverhütung angewandt und während der gesamten Behandlungsdauer aufrechterhalten werden (Antibabypille, Spirale, Hormonring, Hormonpflaster, Hormonstäbchen).
Wenn es während der Behandlung mit diesem Arzneimittel trotz dieser Verhütungsmaßnahmen zum Eintritt einer Schwangerschaft kommen sollte, muss die Einnahme von Lojuxta® sofort abgebrochen und der behandende Arzt informiert werden.
Hintergrund zur Erinnerung an Maßnahmen zur Risikominimierung
Mit diesem Schreiben werden Angehörige der Heilberufe an die im Schulungsmaterial (Leitfaden für medizinische Fachkräfte) und in der Fachinformationzu Lojuxta® beschriebenen Maßnahmen zur Risikominimierung erinnert, da die Erfahrung aus der klinischen Praxis zeigt, dass eine Verbesserung der Einhaltung dieser Maßnahmen erforderlich ist.
Was ist zu tun?
Wenn Sie an einer homozygoten familiären Hypercholesterinämie (HoFH) leiden, kann Ihnen Ihr Arzt zusätzlich zu einer fettreduzierten Diät und ggf. anderen medikamentösen Maßnahmen zur Verringerung des Blutfettspiegels das Medikament Lojuxta®(Lomitapid) verordnen. Vor Beginn der Behandlung wird Ihr Arzt Sie nach Lebererkrankungen in der Vergangenheit fragen und eine Blutentnahme zur Überprüfung Ihrer Leberfunktion vornehmen.
Bei Frauen im gebärfähigen Alter wird zusätzlich ein negativer Schwangerschaftstest und die Anwendung einer anerkannt wirksamen Methode zur Schwangerschaftsverhütung verlangt, da bei einer bereits bestehenden oder bei einem späterem Eintritt einer Schwangerschaft eine Schädigung des ungeborenen Kindes durch Lomitapid erfolgen könnte.
Mit Ihrer ersten Packung Lojuxta® erhalten Sie eine Patientenkarte, die Sie während der gesamten Behandlungsdauer bei sich haben und bei einem Arzttermin vorzeigen sollten, damit jeder Arzt, der Sie aus welchen Gründen auch immer behandeln wird, über die Einnahme dieses Arzneimittels informiert wird und seine Verordnungen im Hinblick auf mögliche Wechselwirkungen mit Lojuxta® ausrichten und anpassen kann.
Weiterhin sollte Ihnen ein Patientenleitfaden ausgehändigt worden sein, in dem alle wesentlichen Gesichtspunkte der Behandlung mit Lojuxta® in einer für Patienten verständlichen Sprache beschrieben und erläutert werden. Sollten trotzdem noch Fragen offen bleiben, zögern Sie nicht, Ihren behandelnden Arzt darauf anzusprechen und zu fragen. Sollten Sie den Patientenleitfaden gar nicht erhalten haben, fragen Sie gezielt danach!
In diesem Leitfaden wird darauf hingewiesen, dass Sie Ihren Arzt über alle Arzneimittel in Kenntnis setzen sollten, die Sie einnehmen, auch solche, die Sie ohne Rezept in der Apotheke oder in einem Drogeriemarkt einkaufen können. Wenn Sie andere Medikamente einnehmen, die beispielsweise Leberprobleme verursachen oder auch zusammen mit Lojuxta® eingenommen Wechselwirkungen (siehe weiter unten) hervorrufen können, wird Ihr Arzt dies bei der Verschreibung und Dosisfestlegung von Lojuxta® entsprechend berücksichtigen.
Es gibt Symptome, die auf eventuelle Leberprobleme hinweisen können. Informieren Sie Ihren Arzt sofort, wenn Sie unter Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen oder Magenschmerzen leiden, die sich verschlimmern, nicht weggehen, oder sich verändern.
Informieren Sie Ihren Arzt auch sofort, wenn eins der folgenden Symptome auftritt:
- Fieber
- Gelbwerden der Haut oder der weißen Augenbereich
- Stärkere Müdigkeit als gewöhnlich
- Grippeähnliche Beschwerden
Diese Symptome können zwar auch andere Ursachen haben, aber es ist wichtig, dass sie Ihrem Arzt bekannt sind, falls sie mit der Leber zusammenhängen.
Bevor Sie mit der Einnahme dieses Arzneimittels beginnen und später dann bei jeder Dosiserhöhung sowie in regelmäßigen Abständen während der Behandlung wird Ihr Arzt einen Bluttest zur Überprüfung Ihrer Leberwerte durchführen. Die Testergebnisse helfen ihm bei der Entscheidung, ob die Dosis von Lojuxta® angepasst werden muss.
Wenn die Testergebnisse auf Leberprobleme hindeuten, kann der Arzt entscheiden, die Dosis zu verringern oder die Behandlung abzubrechen. Ihr Arzt wird auch einmal pro Jahr zusätzliche Tests anfordern. Dazu zählen weitere Blutuntersuchungen und andere Tests zur Überwachung Ihrer Leber (z.B. Ultraschall oder Computertomographie). Ihr Arzt wird diese Untersuchungen mit Ihnen besprechen.
Während der Behandlung mit Lojuxta® sollten Sie keinen Alkohol trinken, da dadurch die Gefahr einer Leberschädigung erhöht wird.
Lojuxta® kann mit einer Reihe von Arzneimitteln Wechselwirkungen hervorrufen, und einige Medikamente dürfen nie zusammen mit Lojuxta® eingenommen werden. Daher ist es äußerst wichtig, dass Sie Ihrem Arzt sagen, welche anderen Medikamente Sie derzeit einnehmen, vor Kurzem eingenommen haben oder möglicherweise einnehmen werden, bevor Sie mit der Einnahme von Lojuxta® beginnen.
Wenn Sie während der Behandlung mit Lojuxta® ein Rezept für ein neues Arzneimittel erhalten oder ein rezeptfreies Medikament in der Apotheke kaufen, müssen Sie mit dem verschreibenden Arzt oder dem Apotheker prüfen, ob es gefahrlos zusammen mit Lojuxta® eingenommen werden kann.
Dazu zählen Arzneimittel zur Behandlung folgender Krankheiten:
- Pilzinfektionen
- Bluthochdruck, Angina oder Herzrhythmusstörungen
- HIV-Infektion
- Blutgerinnsel (oder deren Vorbeugung)
- Epilepsie
- Tuberkulose
- Diabetes
- Angst und Depressionen
- Schwere Akne
- Mukoviszidose (angeborene zähe Verschleimung der Atemwege)
- Exzessive Tagesschläfrigkeit
- Cushing-Syndrom (bei Einnahme von Kortison-Präparaten)
- Harninkontinenz (Einnässen)
- Niedriger Natriumspiegel im Blut
- Gicht
- Heuschnupfen
Sie sollten Ihrem Arzt auch sagen, ob Sie eines oder mehrere der folgenden Arzneimittel einnehmen, eingenommen haben oder möglicherweise einnehmen werden:
- Antibiotika
- die Pille
- Steroide (Kortison-Präparate)
- Arzneimittel zur Krebsbehandlung
- Arzneimittel zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen bei Krebs
- Arzneimittel, die das Immunsystem verändern
- Arzneimittel zur Magensäurereduktion (z.B. Protonenpumpenhemmer)
- Arzneimittel zur Senkung des Cholesterinspiegels (Statine), insbesondere Simvastatin
Wenn Lojuxta® gleichzeitig mit Statinen eingenommen wird, besteht ein erhöhtes Risiko für Leberschädigungen. Es kann auch zu Muskelschmerzen (Myopathie) oder Muskelschwäche kommen. Sie sollten während der Behandlung mit Lojuxta® keinesfalls mehr als 40 mg Simvastatin einnehmen.
Auch einige rezeptfreie Arzneimittel und pflanzliche Medikamente können mit Lojuxta® wechselwirken. Sie sollten Ihrem Arzt sagen, ob Sie eins oder mehrere der folgenden Arzneimittel einnehmen, eingenommen haben oder möglicherweise einnehmen werden: Arzneimittel, die Paracetamol enthalten (zur Schmerzbehandlung)
- Johanniskraut (gegen Depression)
- Ginkgo (zur Verbesserung der Gedächtnisleistung)
- Goldsiegelwurzel (Hydrastis canadensis) (gegen Entzündungen und Infektionen)
Trinken Sie während der Behandlung mit Lojuxta® keinen Grapefruitsaft, da dieser mit Ihrem Arzneimittel wechselwirken kann.
Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!
Beobachten Sie Nebenwirkungen unter der Behandlung mit Lojuxta® oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die **Rote-Hand-Briefe** wirkungsvoll zeigen.
Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.
Quellen: RHB, Patientenleitfaden