Natpar® (Parathyreoidhormon): Voraussichtlicher Lieferengpass ab 1. Juli 2022

Natpar® (Parathyreoidhormon): Voraussichtlicher Lieferengpass ab 1. Juli 2022

Natpar® (Parathyreoidhormon): Voraussichtlicher Lieferengpass ab 1. Juli 2022

Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich?

Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.

Liebe Patientin, lieber Patient,

lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefes zum voraussichtlichen Lieferengpass von Natpar® 100 Mikrogramm/Dosis, den der Hersteller Takeda im Einvernehmen mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Regierungspräsidium Tübingen am 4. Mai 2022 veröffentlicht hat.      

Worum geht es?

Wegen Problemen bei der Herstellung wird ab etwa Ende Juni 2022 Natpar® (Parathyroidhormon) in der Stärke 100 Mikrogramm pro Dosis nicht mehr lieferbar sein. Der Lieferengpass wird voraussichtlich mindestens sechs Monate betragen, die genaue Dauer ist derzeit nicht bekannt.

Natpar® wird angewendet als Zusatztherapie bei erwachsenen Patienten mit chronischem Hypoparathyreoidismus, deren Erkrankung durch die Standardtherapie (bestehend aus Kalzium und Vitamin D) allein nicht ausreichend kontrolliert werden kann.

Um sicherzustellen, dass Patienten, die bereits Natpar erhalten, weiterhin behandelt werden können, werden die Ärzte gebeten, keine neuen Patienten auf Natpar einzustellen, egal in welcher Dosis.

Die Behandlung von Patienten, die aktuell 100 µg pro Tag erhalten, kann mit alternativen Dosierungsschemata fortgeführt werden. Eine detaillierte Beschreibung gibt es in der dem Rote-Hand-Brief beigefügten Patienteninformation „Anweisungen zur Injektion für Patienten und Betreuer für Natpar 100 Mikrogramm/Dosis-Mangel.
Diese muss
unbedingt an den Patienten ausgehändigt und mit ihm sorgfältig besprochen werden, um sicher zu stellen, dass der Patient diese Informationen verstanden hat und ausreichend aufgeklärt ist. Der Patient muss darüber aufgeklärt werden, wie wichtig eine korrekte Dosierung ist, und dass er sich im Falle eines Dosierungsfehlers an seinen Arzt wenden muss.

Bei Patienten, die vom Lieferengpass betroffen sind, sollte der Kalziumspiegel im Blut überwacht und die Patienten auf Anzeichen und Symptome einer Verminderung des Kalziumspiegels (Hypokalzämie) beobachtet werden. Die Dosierung von Vitamin D3 (Cholecalciferol, auch als aktives Vitamin D bezeichnet) und ergänzendem Kalzium muss sorgfältig angepasst werden.

Folgende alternative Dosierungsmöglichkeiten anstelle von Natpar 100 µg pro Dosis werden von Takeda vorgestellt:

Mehrfache Dosierung: Wenn die verordnenden Ärzte nach ihrer therapeutischen Einschätzung eine Dosis von 100 Mikrogramm für ihre Patienten für erforderlich halten, können sie zwei separate Injektionen von Natpar 50 Mikrogramm/Dosis verschreiben. Entscheidet sich der Arzt für die Verschreibung von zwei aufeinander folgenden Dosen Natpar 50 Mikrogramm/Dosis, sollte die zweite Dosis innerhalb von 15 Minuten nach der ersten Dosis mit einer neuen Nadel unter die Haut in den Oberschenkel der anderen Seite gespritzt werden. Die Ärzte sollten die Überwachung des Serumkalziumspiegels und gegebenenfalls die Anpassung der Kalziumzufuhr und/oder aktivem Vitamin D in Betracht ziehen.

Oder

Reduzierte Dosierung: Natpar 75 Mikrogramm/Dosis steht weiterhin für Patienten zur Verfügung, für die nach dem klinischen Urteil des verordnenden Arztes eine reduzierte Dosis von Natpar 75 Mikrogramm angemessen ist. Der Arzt sollte die Überwachung des Serumcalciumspiegels und gegebenenfalls die Anpassung von exogenem Calcium und/oder aktivem Vitamin D in Betracht ziehen.
Allerdings besteht die Möglichkeit, dass auch die Stärke 75 Mikrogramm/Dosis im Laufe des Jahres 2022 von einem Lieferengpass betroffen sein könnte. Dies sollte bei der Entscheidung für eine alternative Dosierungsoption, wie oben beschrieben, ebenfalls berücksichtigt werden. Sollte es zu einem Lieferengpass der 75 Mikrogramm/Dosis kommen, werden weitere Mitteilungen an die verordnenden Ärzte herausgegeben.

Was ist Parathormon?

Parathormon ist ein Hormon, das in der Nebenschilddrüse gebildet wird.  Diese wird auch Epithelkörperchen genannt; dabei handelt es sich meist um vier etwa linsengroße Drüsen, die seitlich und hinter der Schilddrüse sitzen.

Das Parathormon (kurz PTH) spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation des Kalziumspiegels im Blut.

Parathormon sorgt dafür, dass sowohl Kalzium als auch Magnesium ausreichend im Körper vorhanden sind und auch der Phosphatspiegel konstant gehalten wird. Diese Mineralien sind  für die Funktion von Knochen und Muskulatur, aber auch für viele andere Zellen im Körper wichtig.

Der Mangel wird als Hypoparathyreoidismus (Nebenschilddrüsen-Unterfunktion) bezeichnet. Infolge des Hormonausfalls kommt es zu Verschiebungen der Blutsalze (Elektrolyte). Diese äußern sich vor allem in Form eines verringerten Kalzium- und Magnesiumspiegels, eines erhöhten Phosphatspiegels und eines verminderten Vitamin-D-Spiegels im Blut.

Bei einem Mangel leiden Betroffene oft unter Kribbeln in den Händen, Füßen und um den Mund herum. Es kommt zu Muskelkrämpfen und auch Muskel- sowie Gelenkschmerzen. Manche berichten, dass sie sich wie benebelt fühlen oder auch vermehrt ängstlich und weniger körperlich belastbar sind.

Ursachen des Hypoparathyreoidismus

In rund 80 Prozent der Fälle tritt der Hypoparathyreoidismus nach größeren Schilddrüsenoperationen auf, bei denen das Nebenschilddrüsengewebe (versehentlich) mit entfernt oder von der Durchblutung abgeschnitten wurde.
Es kann aber auch eine Zerstörung des Schilddrüsengewebes infolge einer Autoimmunerkrankung, eine angeborene Störung der Nebenschilddrüsenfunktion oder eine Stoffwechselstörung zugrunde liegen.

Die Behandlung besteht aus einer Therapie mit Kalzium, Magnesium und Vitamin D in Tablettenform. Sollten diese Medikamente nicht ausreichen, besteht seit 2017 auch die Möglichkeit einer Hormonersatztherapie mit künstlich hergestelltem Parathormon (Arzneimittelname: Natpar), das unter die Haut (subkutan) gespritzt wird.

Was ist zu tun?

Wenn Sie derzeit mit Natpar 100 Mikrogramm pro Dosis behandelt werden, sind Sie vom Lieferengpass ab Juli 2022 betroffen.
Nehmen Sie am besten pro-aktiv Kontakt zu Ihrem behandelnden Arzt auf und besprechen mit ihm die weiteren Schritte, um eine für Ihre Bedürfnisse passende Umstellung der Behandlung einzuleiten.
Fragen Sie auch gezielt nach der Patienteninformation, die dem Rote-Hand-Brief, den Ihr Arzt erhalten hat, beigefügt ist.

Als Behandlungsoptionen bieten sich 2 Varianten an:

Fortsetzung der Therapie mit 100 Mikrogramm pro Tag, aber verabreicht in 2 Einzelinjektionen von je 50 Mikrogramm pro Dosis.
ODER
Verringerung der täglichen Dosis auf 75 Mikrogramm pro Tag, derzeit noch verabreichbar mit einer einzigen Injektion. Allerdings besteht die Möglichkeit eines auch für diese Dosierung eintretenden Lieferengpasses im Verlauf des Jahres. Die Behandlung kann dann aber durch die Verabreichung von Natpar in zwei Einzelinjektionen von 50 plus 25 Mikrogramm pro Dosis fortgesetzt werden.

Patienten, die nun 2 x Natpar 50 Mikrogramm/Dosis erhalten, sollten Folgendes beachten:

Injizieren Sie je eine Dosis von Natpar 50 Mikrogramm/Dosis in den rechten und linken Oberschenkel. Verwenden Sie für jede Injektion eine neue Nadel und überprüfen Sie die Dosisanzeige, um zu bestätigen, dass Sie sich zwei Dosen von 50 Mikrogramm verabreicht haben.
Um das Risiko lokaler Reaktionen (am Ort der Einstichstelle) zu verringern, sollten die Injektionen jeden Tag
abwechselnd in den oberen bzw. unteren Bereich der Oberschenkel erfolgen. Die beiden Dosen sollten in einem zeitlichen Abstand von weniger als 15 Minuten verabreicht werden; falls Sie jedoch versehentlich nur eine Dosis appliziert haben, holen Sie die zweite Dosis so schnell wie möglich nach und kontaktieren Sie Ihren Arzt.

Patienten, bei denen die Dosis von Natpar 100 Mikrogramm/Tag auf Natpar 75 Mikrogramm/Tag reduziert wird, sollten Folgendes beachten:

Durch die Verringerung der Dosis sind Sie einem erhöhten Risiko einer Hypokalzämie (erniedrigter Kalziumspiegel) ausgesetzt. Bei Anzeichen einer Hypokalzämie sollten Sie sich umgehend an Ihren Arzt wenden.

Folgende Symptome können Hinweis auf eine Hypokalzämie sein:

Im Vordergrund steht die Übererregbarkeit des Nervensystems:

  • Missempfindungen und Kribbeln an den Gliedmaßen und im Bereich des Mundes
  • Muskelzuckungen, Muskelkrämpfe (Spasmen, Tetanie)
  • Muskelschmerzen, Brustkorbschmerzen, Nackenschmerzen
  • Kopfschmerzen
  • Angst
  • Herzklopfen
  • Durchfall
  • Bei sehr schwerer Hypokalzämie: Epileptischer Krampfanfall des Gehirns
  • Es ist sehr wichtig, dass Ihr Serumkalziumspiegel genau überwacht wird. Nehmen Sie die Termine zur Blutkontrolle deshalb gewissenhaft wahr!

Nur so kann die Dosierung von aktivem Vitamin D und ergänzendem Kalzium an Ihre individuellen Bedürfnisse angepasst werden.
Achten Sie selbst auf Anzeichen und Symptome einer Hypokalzämie und kontaktieren Sie Ihren Arzt, auch wenn Sie sich “nur unsicher” fühlen.

Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!

Beobachten Sie Nebenwirkungen unter der Behandlung mit Natpar oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die **Rote-Hand-Briefe** wirkungsvoll zeigen.

Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.

Quellen: RHB und Patienteninformation zum RHB (Patienteninformation „Anweisungen zur Injektion für Patienten und Betreuer von Natpar® 100 Mikrogramm/Dosis während des Lieferengpasses)

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