Risiko einer QTc-Intervallverlängerung und Torsade de Pointes

Donepezil – Risiko einer QTc-Intervallverlängerung und Torsade de Pointes

Donepezil – Risiko einer QTc-Intervallverlängerung und Torsade de Pointes

Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich? 

Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen. 

Liebe Patientin, lieber Patient, 

lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefes vom 13. Dezember 2021 zu Donepezil.

Worum geht es? 

Die Zulassungsinhaber von Donepezil-haltigen Arzneimitteln informieren in Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) darüber, dass im zeitlichen Zusammenhang mit der Anwendung von Donepezil Fälle von schweren bedrohlichen Herzrhythmusstörungen, die man in der Fachsprache als QTc-Intervallverlängerung und Torsade de Pointes bezeichnet, berichtet wurden. 

Donepezil ist ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel und wird zur symptomatischen Behandlung der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz angewendet. Es ist erhältlich in der Dosierung 5 mg und 10 mg. Das Originalpräparat hat den Handelsnamen Aricept und wird in Deutschland von den Pharma-Unternehmen Eisai und Pfizer vermarktet. Generische Präparate mit dem Wirkstoff Donepezil gibt es von verschiedenen Anbietern.

Vorsicht ist demnach geboten bei Patienten

  • mit bestehender oder familiärer Verlängerung des QTc-Intervalls,
  • die weitere Arzneimittel anwenden, die das QTc-Intervall beeinflussen,
  • mit relevanten Herzerkrankungen (z. B. nicht kompensierte Herzinsuffizienz, kürzlich aufgetretener Myokardinfarkt, Bradyarrhythmie) oder Elektrolytstörungen (Hypokaliämie, Hypomagnesiämie).  

Bei Risikopatienten sollte eine EKG-Überwachung erwogen werden.

Die Produktinformationen werden aktualisiert.

Hintergrund der Sicherheitsbedenken:

Das Risiko von Nebenwirkungen auf die Herzfrequenz ist bereits bekannt. Die Produktinformationen der Donepezil-Präparate enthalten daher bereits einen Warnhinweis, dass es zu sogenannten vagotonischen Wirkungen auf die Herzfrequenz kommen kann, d.h. es kann sich beispielsweise der Herzschlag verlangsamen (Bradykardie). Außerdem kann diese vagotone Wirkung vor allem für Patienten mit einem sogenannten „Sick-Sinus-Syndrom“ oder anderen Störungen der Signalübertragung innerhalb der Herzvorhöfe bzw. von den Herzvorhöfen auf die Herzkammern, wie z. B. sinuatrialem oder atrioventrikulärem Block, negative Folgen haben. 

Die aktuellen Änderungen der Produktinformation für Donepezil sind das Ergebnis der Bewertung von Daten nach der Markteinführung und der wissenschaftlichen Literatur. Berichte über QTc-Intervallverlängerungen und Torsade de Pointes im Zusammenhang mit der Anwendung von Donepezil wurden von der EMA identifiziert und bewertet. Es wurde festgestellt, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Donepezil und QTc-Intervall-Verlängerungen und Torsade de Pointes zumindest eine begründete Möglichkeit darstellt. Da die Bewertung in erster Linie auf Spontanberichten über unerwünschte Ereignisse nach der Markteinführung beruhte, wird die Häufigkeit als unbekannt angegeben.

Die Fach- und Gebrauchsinformation Donepezil-haltiger Arzneimittel werden in den Abschnitten Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen, Wechselwirkungen und Nebenwirkungen aktualisiert.

In die Fachinformation neu aufgenommene unerwünschte Wirkungen: Polymorphe ventrikuläre Tachykardie einschließlich Torsade de Pointes, verlängertes QTc-Intervall im Elektrokardiogramm.

Erläuterung medizinischer Fachbegriffe: 

Das Nervensystem des Menschen 

Nach der Lage der Nervenbahnen im Körper unterscheidet man zwischen einem zentralen und einem peripheren Nervensystem. Das zentrale Nervensystem (ZNS) umfasst Nervenbahnen in Gehirn und Rückenmark. Es befindet sich sicher eingebettet im Schädel und dem Wirbelkanal in der Wirbelsäule. Zum peripheren Nervensystem (PNS) gehören alle anderen Nervenbahnen des Körpers.

Unabhängig von der Lage der Nervenbahnen spricht man von einem willkürlichen und einem unwillkürlichen Nervensystem. Das willkürliche Nervensystem (somatisches Nervensystem) steuert alle Vorgänge, die einem bewusst sind und die man willentlich beeinflussen kann. Dies sind zum Beispiel gezielte Bewegungen von Armen, Beinen und anderen Körperteilen.

Das unwillkürliche Nervensystem (vegetatives oder autonomes Nervensystem) regelt die Abläufe im Körper, die man nicht mit dem Willen steuern kann. Es ist ständig aktiv und reguliert autonom beispielsweise Atmung, Herzschlag und Stoffwechsel.

Das vegetative unwillkürliche Nervensystem unterteilt sich in das sympathische und parasympathische Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus):

Das sympathische und parasympathische Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus) wirken im Körper meist als Gegenspieler: Der Sympathikus bereitet den Organismus auf körperliche und geistige Leistungen vor. Er sorgt dafür, dass das Herz schneller und kräftiger schlägt, erweitert die Atemwege, damit man besser atmen kann und hemmt die Darmtätigkeit.
Der Parasympathikus kümmert sich um die Körperfunktionen in Ruhe: Er verlangsamt den Herzschlag, aktiviert die Verdauung, kurbelt verschiedene Stoffwechselvorgänge an und sorgt für Entspannung. Der Hauptnerv des parasympathischen Nervensystem ist der Nervus Vagus. Das Ergebnis einer Stimulation des parasympathischen Nervensystems bezeichnet man daher als “vagotone” oder “vagotonische” Wirkung.

Das Reizleitungssystem des Herzens

Der Herzschlag wird durch den sogenannten Sinusknoten gesteuert. Er liegt im rechten Herzvorhof und besteht aus speziellen Herzmuskelzellen. Er gibt den Takt des Herzschlags vor, indem er regelmäßige elektrische Impulse aussendet (60 bis 80 pro Minute = Sinus-Rhythmus), die über spezielle Herzmuskelfasern an den sogenannten atrio-ventrikular (AV-) Knoten weitergeleitet werden. Dieser befindet sich am Übergang von den beiden Herzvorhöfen (rechtes und linkes Atrium) zu den beiden Herzkammern (rechter und linker Ventrikel). Von dort breitet sich der elektrische Impuls auf die beiden Herzkammern aus. Die elektrische Aktivität der Erregungsausbreitung wird im Elektrokardiogramm (EKG) sichtbar. 

Der Sinusknoten selbst wird durch Nerven und Hormone beeinflusst. Er steht unter dem Einfluss von Sympathikus und Parasympathikus. Der Einfluss des Sympathikus bewirkt eine Beschleunigung des Herzschlags, der Einfluss des Parasympathikus bewirkt eine Verlangsamung des Herzschlags. 

Beim Sick-Sinus-Syndrom (Sinusknotensyndrom) ist die Impulsgebung des Sinusknotens gestört, so dass er eine zu langsame Taktfrequenz vorgibt. Die Gründe hierfür sind meist unbekannt.

Auch bei Blockierung der Weiterleitung der elektrischen Erregung vom Sinusknoten über die Vorhöfe (sinu-atrialer Block) oder über den AV-Knoten von den Vorhöfen zu den beiden Herzkammern (atrio-ventrikuärer Block) kommt es zu einer Verlangsamung der Herzfrequenz.

Die Störung der Erregungsausbreitung im Herzmuskel wird im EKG sichtbar, beispielsweise in der hier erwähnten Verlängerung des QTc-Intervalls, eines speziellen Abschnitts der EKG-Kurve zur Darstellung eines Pulsschlags. Bei dieser Konstellation kann es zu schnellen kreisenden elektrischen Erregungen in den Herzkammern kommen, die man als polymorphe Kammertachykardie oder Torsade de Pointes bezeichnet. Diese kreisenden schnellen Erregungen werden von autonomen Impulsgebern im Herzmuskel erzeugt, wenn die reguläre Signal-Überleitung aus dem Sinusknoten gestört ist. Sie können in ein lebensbedrohliches Herzkammerflimmern übergehen.  

Da es durch die oben beschriebene vagotone Wirkung von Donepezil zur Verlangsamung des Herzschlags mit Absinken der Pulsfrequenz kommen kann, ist bei einem vorbestehenden Sinusknotensyndrom oder anderen Erregungsüberleitungsstörungen mit einer weiteren Absenkung der Herzfrequenz zu rechnen. Dadurch wird das lebensnotwendige sauerstoffreiche Blut zu langsam zu den Organen gepumpt, was die Funktion der Organe beeinträchtigt und im schlimmsten Fall zum Organversagen führen kann.
Außerdem können aufgrund der verzögerten Weiterleitung der vom Sinusknoten erzeugten elektrischen Impulse mit Verlängerung des QTc-Intervalls die gefährlichen Torsade de Pointes Rhythmusstörungen durch autonome Taktgeber in den Herzkammern ausgelöst werden. 

Was ist zu tun? 

Wie im Originaltext des Rote-Hand-Briefs beschrieben, ist besondere Vorsicht geboten, 

  • wenn Sie bereits eine bestehende Verlängerung des QTc-Intervalls im EKG aufweisen oder diese EKG-Veränderung bei anderen mit Ihnen genetisch verwandten Familienmitgliedern vorkommt.
  • wenn Sie außer Donepezil noch andere Arzneimittel anwenden, die das QTc-Intervall beeinflussen. Dazu gehören u. a.
    • Antiarrhythmika = Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen (z.B. Amiodaron, Sotalol)
    • Antibiotika = Medikamente gegen bakterielle Infektionen (z.B. Clarithromycin, Ciprofloxacin, Cotrimoxazol)
    • Antimykotika = Medikamente gegen Pilzinfektionen  (z.B. Fluconazol, Ketokonazol)
      Malaria-Mittel (z.B .Chinidin, Chloroquin)
    • Antihistaminika = Medikamente gegen Allergien (z.B. Astemizol, Terfenadin)
    • Antiemetika = Medikamente gegen Übelkeit und Brechreiz  (z.B. Ondansetron)
    • Antidepressiva/Antipsychotika = Medikamente gegen Depressionen oder gegen Schizophrenie (z.B. Amitriptylin, Citalopram, Escitalopram, Haloperidol, Imipramin,Lithium, Risperidon)
    • Opioide = starke Schmerzmittel (z.B. Fentanyl, Methadon, Pethidin). 
  • wenn Sie an einer schweren Herzerkrankung leiden (z. B. ausgeprägte Herzleistungsschwäche mit Atemnot bei geringster Belastung oder bereits im Ruhezustand, nach einem kürzlich aufgetretenen Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen mit langsamer Pulsfrequenz) 
  • wenn Sie an Störungen im Mineralienhaushalt (Kalium- und/oder Magnesiummangel) leiden.  

Wenn Sie zu dieser Gruppe von Risikopatienten gehören, sollte Ihr behandelnder Arzt vorsorglich eine EKG-Überwachung in Betracht ziehen. Und Sie selbst oder Ihre betreuenden Angehörigen sollten auch aktiv das Gespräch mit dem Arzt suchen, um auf eine mögliche Risikosituation aufmerksam zu machen.

Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung! 

Beobachten Sie Nebenwirkungen unter der Behandlung mit Donepezil-haltigen Arzneimitteln oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die **Rote-Hand-Briefe** wirkungsvoll zeigen. 

Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird. 

Quellen: RHB

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