Rucaparib (Rubraca): Einschränkung des Anwendungsgebiets

Rucaparib (Rubraca): Einschränkung des Anwendungsgebiets

Rucaparib (Rubraca): Einschränkung des Anwendungsgebiets

Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich?

Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.

Liebe Patientin, lieber Patient,

Lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefes vom 08. August 2022 zu Rucaparib (Handelsname Rubraca).

Worum geht es?

Der  Zulassungsinhaber von Rubraca, die Clovis Oncology Ireland Ltd. informiert in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über folgenden neuen Sachverhalt:

Rubraca sollte nicht mehr als alleinige Behandlung (Monotherapie) bei erwachsenen Patientinnen mit platinsensitivem, rezidiviertem oder progressivem high-grade epithelialem Ovarial-, Eileiter- oder primärem Peritonealkarzinom mit BRCA-Mutationen angewendet werden, die mit zwei oder mehr vorherigen platinbasierten Chemotherapielinien behandelt wurden und keine weitere platinhaltige Chemotherapie vertragen.

Es geht also um Frauen mit einem zurückgekehrten oder aktuell sich verschlimmernden, fortschreitenden Krebs der Eierstöcke, Eileiter oder des Bauchfells, die eine genetische Veränderung (BRCA-Mutation) mit erblicher Veranlagung zu Brustkrebs und/oder Eierstockkrebs in ihren Zellen tragen.
Wenn deren Krebserkrankung auf die üblicherweise verabreichte platinhaltige Chemotherapie angesprochen hat und sie davon mindestens zwei oder mehr Chemotherapie-Zyklen erhalten haben, wenn sie aber eine Fortsetzung dieser platinhaltigen Chemotherapie nicht mehr vertragen, dann konnten sie bisher stattdessen mit Rubraca als alleinigem Medikament (Monotherapie) weiterbehandelt werden. Diese Therapieform wird nun nicht mehr befürwortet aufgrund der Ergebnisse einer wichtigen klinischen Studie mit der Kurzbezeichnung ARIEL4.

Die End-Auswertung dieser Studie, in der Patientinnen mit fortschreitendem (progressivem) oder erneut aufgetretenem (rezidiviertem) Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom) entweder mit Rucaparib oder einer (nicht-platinhaltigen) Chemotherapie behandelt wurden, zeigte nachteilige Auswirkungen von Rucaparib auf das Gesamtüberleben (OS = overall survival) im Vergleich zur Kontrollgruppe, die statt Rucaparib eine Chemotherapie erhalten hatte.

Bereits laufende Behandlungen bei Patientinnen mit Progression oder Rezidiv ihres Eierstockkrebses sollten überdacht und die Patientinnen über die neuesten Erkenntnisse und Empfehlungen informiert werden. Neue Patientinnen in diesem Erkrankungsstadium dürfen auf eine alleinige Gabe von Rubraca nicht mehr eingestellt werden.

Rubraca ist jedoch weiterhin zugelassen als Alleintherapie zur Erhaltungsbehandlung erwachsener Patientinnen mit platinsensitivem, rezidiviertem high-grade epithelialem Ovarial-, Eileiter- oder primärem Peritonealkarzinom, die (vollständig oder zumindest teilweise) auf die platinbasierte Chemotherapie angesprochen haben.

Hintergrundinformationen:

Bei einem high-grade epithelialen Ovarialkarzinom handelt es sich um die häufigste Form des Eierstockkrebses mit einer hochgradig ausgeprägten Bösartigkeit des Tumors. Dieser entsteht durch die Entartung der sogenannten Deckzellen (Epithelzellen), die den Eierstock innen auskleiden. Karzinome des benachbarten Eileiters und des Bauchfells sind zellbiologisch vergleichbar. Daher werden sie in gleicher Weise wie ein Karzinom des Eierstocks behandelt.

Der Nachweis von BRCA-Mutationen in einem genetischen Test ist ein wertvoller Hinweis für die Wahl der Behandlung des Eierstockkrebses und ihren Erfolg. Patientinnen mit BRCA-Mutationen sprechen häufiger und auch länger auf eine platinhaltige Chemotherapie an als Patientinnen ohne diese Mutationen.

BRCA ist eine Zusammensetzung der Anfangsbuchstaben von „BReast“ und „CAncer“ (Brustkrebs). Frauen, die eine Mutation von BRCA1 oder BRCA2 aufweisen, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an Brust- und/oder Eierstockkrebs zu erkranken. Zudem tritt der Krebs in diesen Fällen in relativ jungen Jahren, also vor dem 50. Lebensjahr auf. Aber – siehe oben – er ist mit einer platinhaltigen Chemotherapie besser therapierbar als bei Frauen, die keine BRCA-Mutationen haben.

Das Chemotherapeutikum der ersten Wahl bei Eierstockkrebs nach vorheriger operativer Tumorentfernung ist Carboplatin, ein platinhaltiger Wirkstoff. Er verhindert die Zellteilung und wird deshalb auch als Zytostatikum bezeichnet. Üblicherweise werden sechs Therapiezyklen mit Carboplatin verabreicht, d. h., das Medikament wird in der Regel sechsmal im Abstand von drei Wochen in Form von Infusionen gegeben. Ein weiteres platinhaltiges Zytostatikum ist Cisplatin, das die Zellen ebenfalls teilungsunfähig macht und zur Chemotherapie bei Eierstockkrebs verabreicht werden kann. Allerdings verursacht Cisplatin im Vergleich zu Carboplatin häufiger Nebenwirkungen und wird deshalb nur noch selten verwendet.

Neben Operation und Chemotherapie ist die Erhaltungstherapie daher die dritte Säule der Behandlung des Eierstockkrebses. Eine Erhaltungstherapie kommt nach einer Chemotherapie zum Einsatz. Ihr Ziel ist es, den Effekt der Chemotherapie möglichst lange aufrechtzuerhalten. So soll die Rückkehr der Krebserkrankung verhindert oder zumindest verzögert werden. Eine Erhaltungstherapie erfolgt daher über einen längeren Zeitraum.

Es stehen zwei Wirkstoffklassen zur medikamentösen Erhaltungstherapie bei Eierstockkrebs zur Verfügung: Entweder eine Therapie mit einem Antikörper (Bevacizumab) oder Medikamente aus der Gruppe der sogenannten PARP-Inhibitoren (PARP-Hemmer). Bekannte Wirkstoffe dieser Arzneimittelgruppe sind Niraparib, Olaparib und Rucaparib.

PARP-Inhibitoren sind eine Gruppe von Arzneistoffen, die bestimmte Enzyme, nämlich die Poly(ADP-Ribose)-Polymerasen hemmen. Die PAR-Polymerasen reparieren Schäden an der DNS (Desoxyribonukleinsäure), die im Zellkern jeder Zelle die Erbinformation enthält. Die Hemmung dieser Enzyme durch die PARP-Inhibitoren verhindert die Reparatur der DNS-Schäden in Krebszellen, die zuvor durch eine Chemotherapie gezielt verursacht wurden. PARP-Inhibitoren werden daher als Erhaltungstherapie nach einer Chemotherapie eingesetzt.

Trotz der Erhaltungstherapie kommt es in vielen Fällen früher oder später zu einer Rückkehr (Rezidiv) oder Verschlimmerung (Progression) des Eierstockkrebses.
Der Eierstockkrebs gilt als platinsensitiv, wenn er bei der Erstbehandlung auf die durchgeführte platinhaltige Chemotherapie angesprochen hat und frühestens sechs Monate nach Abschluss dieser Therapie wiederkehrt. Als platinresistent wird der Eierstockkrebs bezeichnet, wenn der Krebs innerhalb der ersten sechs Monate nach der Chemotherapie zurückkehrt. In diesen Fällen hat die platinhaltige Chemotherapie offensichtlich nicht ausreichend gewirkt.

Wenn bei Rezidiv oder Progression eines platinsensitiven Eierstockkrebs eine erneute platinhaltige Chemotherapie nicht mehr vertragen wird, konnte seit Mai 2018 anstelle einer nicht-platinhaltigen Chemotherapie der PARP-Inhibitor Rucaparib als alleiniges Medikament verordnet werden. Eine Monotherapie mit Rucaparib soll nun allerdings nicht mehr angewandt werden, da der Hersteller Clovis Oncology Ireland Ltd. die alleinige Anwendung bei Rezidiv oder Progression aufgrund der neuesten Studienergebnisse nicht mehr empfiehlt.

Anstelle von Rucaparib kann dann mit einem nicht-platinhaltigen Chemotherapeutikum behandelt werden. Verschiedene Substanzen kommen hierfür in Betracht, beispielsweise Topotecan, Gemcitabin oder (pegyliertes liposomales) Doxorubicin. „Pegyliert liposomal“ bedeutet, dass der Wirkstoff Doxorubicin speziell zubereitet ist, sodass er besser vertragen wird und länger im Körper bleibt.

Was ist zu tun? 

Sie leiden an einem platinsensitivem Eierstockkrebs mit nachgewiesener BRCA-Mutation? Das heißt, Sie haben nach der Operation gut auf eine platinhaltige Chemotherapie (Carboplatin, Cisplatin) angesprochen?

Sie haben aber dennoch – nach sechs Monaten (oder später) – ein Rezidiv (Rückkehr des Krebses) oder eine Progression (fortschreitende Verschlimmerung des Krebses) entwickelt?

Sie erhalten aktuell eine Monotherapie mit dem PARP-Hemmer Rucaparib (Rubraca), weil Sie eine neuerliche platinhaltige Chemotherapie nicht mehr vertragen? 

Dann wird Ihr behandelnder Arzt mit Ihnen besprechen, wie sich die weitere Behandlung Ihres Eierstockkrebses künftig gestalten lässt.
Angesichts der neuesten Studienergebnisse, bei denen die Gesamtüberlebenszeit von Frauen mit platinsensitivem Eierstockkrebs bei nachgewiesener BRCA-Mutation, die im Stadium eines Rezidivs oder der Progression Rucaparib (Rubraca) als Monotherapie erhalten haben, kürzer war als die Gesamtüberlebenszeit von Frauen, die in diesem Erkrankungsstadium mit einer (nicht-platinhaltigen) Chemotherapie behandelt wurden, wird Ihr Arzt die Verordnung von Rucaparib (Rubraca) höchstwahrscheinlich beenden und Ihnen stattdessen eine nicht-platinhaltige Chemotherapie vorschlagen.

Wenn Sie nicht auf Ihren nächsten regulären Termin bei Ihrem Arzt warten möchten, können Sie diesen Rote-Hand-Brief zum Anlass nehmen, sich selbst um einen Beratungstermin bei Ihrem Arzt zu bemühen, um Ihre weiteren Behandlungsmöglichkeiten mit ihm zu besprechen.

Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!

Beobachten Sie Nebenwirkungen unter der Behandlung mit Rucaparib (Rubraca) oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die **Rote-Hand-Briefe** wirkungsvoll zeigen.

Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.

Quellen: RHB, DocCheck Flexikon
Wegweiser Eierstockkrebs

Sie vermuten auch Nebenwirkungen?

✔ Melden Sie Ihre Beschwerden schnell und diskret an den Hersteller
✔ Ihre Identität bleibt zu jedem Zeitpunkt geschützt
✔ Erhalten Sie Rückmeldung zu Ihrem Fall
✔ 100% datenschutzkonform und sicher