Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich?
Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.
Liebe Patientin, lieber Patient,
lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefs vom 01. Oktober zu Ondansetron. Verschiedene Hersteller informieren hiermit in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über das erhöhte Risiko von Fehlbildungen bei der Anwendung von Ondansetron während der Schwangerschaft.
Worum geht es?
Ondansetron (Handelsname des Originalpräparates: Zofran) ist ein verschreibungspflichtiges Medikament gegen Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen. Es blockiert die 5-HT3-(Serotonin)-Rezeptoren im Gehirn, die für die Auslösung des Brechreizes zuständig sind. Solche Wirkstoffe werden als Antiemetika bezeichnet. Ondansetron wird bei Krebspatienten, die eine Chemotherapie oder Strahlentherapie erhalten, sowie zur Vorbeugung von Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen als Folge der Narkose nach Operationen eingesetzt.
Aus den Verordnungsdaten geht hervor, dass Ondansetron zunehmend auch außerhalb dieser zugelassenen Anwendungsbereiche, als sogenannter Off-Label-Use, von Frauen während der Schwangerschaft eingenommen wird bei Morgenübelkeit, insbesondere bei übermäßigem Erbrechen (Hyperemesis gradvidarum). Die Anwendung von Ondansetron in der Schwangerschaft wird laut aktueller Produktinformation nicht empfohlen.
Neue Erkenntnisse aus Studien ergaben nun, dass ein erhöhtes Risiko für Missbildungen im Bereich des Mundes (orofaziale Fehlbildungen) unter der Anwendung dieses Medikaments besteht. In einer Auswertung der Daten von 1,8 Millionen Schwangeren, die Ondansetron eingenommen hatten, war die Anwendung dieses Medikaments im ersten Schwangerschaftsdrittel mit 3 zusätzlichen Fällen von Missbildungen wie Lippen-Kiefer-Gaumenspalten pro 10.000 behandelter Frauen verbunden. Verfügbare Studien zu möglichen Herzfehlbildungen zeigen widersprüchliche Ergebnisse. In Tierversuchen wurden keine direkten oder indirekten schädlichen Auswirkungen festgestellt.
Ondansetron sollte daher während des ersten Schwangerschaftsdrittels nicht eingenommen werden. Frauen im gebärfähigen Alter sollten, wenn sie Ondansetron zur Vorbeugung oder Behandlung von Übelkeit, Brechreiz oder Erbrechen im Rahmen einer Chemotherapie oder Strahlentherapie oder nach einer Narkose einnehmen müssen, eine Schwangerschaftsverhütung in Erwägung ziehen.
Die Packungsbeilage wird hinsichtlich der neuen Erkenntnisse über mögliche Fehlbildungen im Gesichtsbereich ergänzt.
Was ist zu tun?
Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Einnahme von Ondansetron schwangerschaftsverhütende Maßnahmen in Betracht ziehen.
Die Ärzte werden angewiesen, bei der Verordnung von Ondansetron an Frauen im gebärfähigen Alter über das Risiko von Missbildungen (insbesondere im Mundbereich: Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, möglicherweise auch am Herzen) bei der Einnahme während der Schwangerschaft aufzuklären.
Aus diesem Grund sollten Sie bei Morgenübelkeit oder übermäßigem Erbrechen in der Schwangerschaft, insbesondere im ersten Drittel keinesfalls Ondansetron einnehmen.
Als Alternative bietet sich die Einnahme von Ingwer- und/oder Vitamin B6 (Pyridoxin)-Präparaten an. Hilfreiche Maßnahmen gegen die weit verbreitete Schwangerschaftsübelkeit sind auch:
- Vor dem Aufstehen eine Kleinigkeit essen (trockene Kekse, Zwieback, Weißbrot) und noch ein bisschen im Bett bleiben (nicht flach hinlegen!)
- Öfter kleine Mahlzeiten essen
- Auf fette und scharf gewürzte Speisen verzichten
- Gerüche vermeiden, die Übelkeit auslösen
- Nach dem Essen nicht hinlegen
Entlastend wirkt oft schon das Verständnis, dass es sich um eine schwangerschaftstypische, vorübergehende Symptomatik handelt, ausgelöst durch die veränderte Hormonsituation, die das Brechzentrum im Gehirn reizt. Bis zu 90 % der Schwangeren leiden ab der 6. Woche an morgendlicher oder sogar ganztägiger Übelkeit. Wenn der Körper sich an die neue hormonelle Situation gewöhnt hat, d.h. ab der 12., spätestens ab der 20. Schwangerschaftswoche gehen diese Beschwerden meist zurück und verschwinden ganz. Erbrechen (Emesis gravidarum) ist schon deutlich seltener (ca. 30 %), und übermäßiges Schwangerschaftserbrechen (Hyperemesis gravidarum) kommt nur bei wenigen (0,3 bis 3% der Schwangeren) vor. Es birgt aber das Risiko von Austrocknung, Elektrolytverlust mit Störungen im Säure-Basen-Haushalt, die zu noch häufigerem Erbrechen führen können. Wenn Sie sich an mehreren Tagen nacheinander häufiger als 5 mal täglich übergeben müssen und sogar an Gewicht verlieren, sollten Sie Ihren Frauenarzt zu Rate ziehen. Unter Umständen kann dann auch eine kurzzeitige stationäre Behandlung mit Elektrolyt- und Flüssigkeitszufuhr durch Infusionen notwendig werden.
Ihre Mitarbeit ist wichtig!
Mit der Bereitstellung der Roten-Hand-Briefe in einer patienten-freundlichen Sprache wollen wir Ihre Wahrnehmungsfähigkeit von Nebenwirkungen entwickeln und stärken! Rote-Hand-Briefe zeigen wirkungsvoll, wie wichtig die kontinuierliche Überwachung der Medikamente und die Anpassung der Produktinformationen an neue Erkenntnisse aus Studien sowie Nebenwirkungsmeldungen ist. Die Aktualisierung der Packungsbeilagen trägt dazu bei, dass jedem Patienten die bestmögliche Behandlung sowohl im Hinblick auf deren Wirksamkeit als auch Verträglichkeit angeboten werden kann. Je mehr Informationen auch Sie über Ihre Erfahrungen mit den von Ihnen eingenommenen Medikamenten zur Verfügung stellen, desto besser kann das Risiko eingegrenzt und vorgebeugt werden, dass andere Patienten diese Nebenwirkungen ebenfalls erleiden müssen. Achten Sie deshalb auf körperliche oder psychische Veränderungen während der Medikamenteneinnahme und auch nach deren Ende. Niemand kann das besser beurteilen als Sie selbst, denn Ihren Körper kennen Sie am besten. Ihre Gesundheit und die Gesellschaft werden es Ihnen danken!
Deshalb: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!
Beobachten Sie Nebenwirkungen – egal welcher Art – unter der Behandlung mit Odansetron oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren. Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.