Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich?
Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.
Liebe Leserin, lieber Leser,
beachten Sie bitte unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefes vom 26. April 2021 zur Covid-19 Vakzine von Johnson & Johnson (Janssen-Cilag).
Wir verweisen außerdem auf den am 13. April 2021 veröffentlichten Rote-Hand-Brief über das Risiko einer Thrombozytopenie und Blutgerinnungsstörungen im Zusammenhang mit dem Impfstoff von AstraZeneca.
Worum geht es?
Im Einvernehmen mit der Europäischen-Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) informiert die die Janssen-Cilag GmbH über den Zusammenhang zwischen dem Impfstoff von Johnson & Johnson (Janssen-Cilag) und dem Auftreten von Thrombosen (Blutgerinnseln) in Kombination mit einer Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen).
Dieser Zusammenhang wird als plausibel angesehen, die spezifischen Risikofaktoren wurden allerdings noch nicht identifiziert. Die Fälle traten in den ersten drei Wochen nach der Impfung vor allem bei Frauen unter 60 Jahren auf.
Die Covid-19 Vakzine von Johnson & Johnson ist zur Impfung von Personen ab dem Alter von 18 Jahren zur Prävention der Covid-19 Erkrankung, verursacht durch den Erreger SARS-CoV-2, vorgesehen.
Hintergrund der Sicherheitsbedenken
Bei Thrombosen handelt es sich um Blutgerinnsel in Gefäßen, die den Blutstrom zum Herzen leiten (Venen). Der Thrombus (Gerinnsel im Gefäß, im Prinzip ein Pfropf aus zusammengeklebten Blutplättchen) kann die Vene verstopfen. Im schlimmsten Fall aber löst sich der Pfropf und gelangt durch das Herz in die Lungengefäße, die somit blockiert werden (Lungenembolie). Dabei handelt es sich um eine lebensbedrohliche Situation.
Diese venösen Thrombosen sind bei den betroffenen Patienten unter anderem auch in ungewöhnlichen Bereichen aufgetreten: dazu zählen die zerebrale Sinusvenenthrombose (Thrombose in den zentralen Hirnvenen) oder die Venenthrombose im Splanchnikusgebiet (im Bauchraum).
Diese beobachteten Blutgerinnsel können sich nicht nur in den Venen bilden, sondern auch in den Arterien (arterielle Thrombose).
Paradoxerweise wird bei der Covid-19 Vakzine von Johnson & Johnson (Janssen-Cilag) das Auftreten von Blutgerinnseln, also dem zusammengeklebten Pfropf aus Blutplättchen, gleichzeitig mit einer Thrombozytopenie beobachtet, worunter ein Mangel an Blutplättchen zu verstehen ist.
Entstehung der Thrombose und Thrombozytopenie
Grundsätzlich ist die Aufgabe der Blutplättchen (Thrombozyten), bei einer blutenden Wunde das verletzte Gefäß so schnell wie möglich zu verschließen. Die Blutplättchen sind in einer inaktiven Form immer im Blutkreislauf vorhanden, um im Notfall direkt an der entstandenen Wunde zu sein. Verletzt man sich nun, sind die Thrombozyten in der Lage, sich sofort an der Gefäßverletzung anzulagern (Thrombozytenaggregation). Die Blutplättchen werden aktiviert und verklumpen gezielt an dieser Stelle, um die Blutung zu stoppen und das Gefäß zu verschließen.
Im Zuge der Thrombozytenaggregation wird ein Eiweiß frei, der sogenannte Plättchenfaktor 4 (PF4). Dieser ist im Normalfall dazu da, Entzündungsreaktionen zu fördern (zur Aktivierung des Immunsystems bei einer Verletzung) und die Wundheilung zu unterstützen.
Im Fall des Johnson & Johnson-Impfstoffes wird vermutet, dass die von den Thrombosen betroffenen Patienten Antikörper (spezialisierte Eiweiße des Immunsystems) gegen PF4 entwickelt haben, die die Struktur von PF4 verändern. Das sorgt letztendlich dafür, dass die Blutplättchen „grundlos“ aktiviert werden und im unverletzten Gefäß verklumpen. Dadurch entstehen verklebte Blutplättchen (Thrombus) in den Venen und Arterien und die Zahl der freien Blutplättchen im Blutkreislauf nimmt ab (Thrombozytopenie). Es kommt zu Thrombosen und, bei Loslösung des Thrombus, zu einer Thromboembolie.
Was ist zu tun?
Angehörige der Gesundheitsberufe müssen für die Anzeichen von im Körper losgelösten Thromben (Thromboembolie) und dem Blutplättchenmangel (Thrombozytopenie) sensibilisiert werden.
Auch die Geimpften müssen umfassend aufgeklärt werden, um selbst Hinweise auf eine beginnende Lungenembolie oder das Vorhandensein einer Thrombose oder einer Blutgerinnungsstörung wahrzunehmen:
- Kurzatmigkeit (vor allem, wenn sie ohne körperliche Anstrengung auftritt)
- Schmerzen in der Brust, Stiche beim Einatmen
- Beinschwellung
- Bauchschmerzen
- Punktförmige Einblutungen (Petechien) oder Blutergüsse der Haut an anderen Stellen des Körpers als dem Oberarm, in den der Impfstoff eingespritzt wurde
- Anhaltende Kopfschmerzen
- Anhaltende Übelkeit, Brechreiz
- Anhaltender Schwindel
- Sehstörungen (z.B. Verschwommen-Sehen)
Wenn Sie an solchen Beschwerden leiden, gehen Sie bitte unverzüglich zum Arzt!
Auch Augenärzte können zur Abklärung der Frage, ob eine Hirnvenenthrombose Ursache anhaltender Kopfschmerzen und/oder Sehstörungen sein könnte, durch Untersuchung des Augenhintergrunds maßgeblich und unter Umständen schneller als ein Radiologe beitragen.
Bitte beachten Sie aber auch: Bei vielen Geimpften kann es als natürliche Impfreaktion zu vorübergehenden Kopfschmerzen kommen. Es ist nicht notwendig, in einem solchen Fall eine weiterführende neurologische Diagnostik mit Bildgebung (z.B. Kernspinuntersuchung (MRT) des Schädels) durchzuführen. Diese sollte aber erfolgen, wenn in den ersten zwei bis drei Wochen nach der Impfung schwere oder anhaltende Kopfschmerzen auftreten, die nur unzureichend auf frei verkäufliche Schmerzmittel ansprechen, und insbesondere dann, wenn weitere neurologische Symptome wie Sehstörungen, Krampfanfälle oder Lähmungserscheinungen auftreten.
Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!
Beobachten Sie Nebenwirkungen nach der Impfung mit der Covid-19 Vakzine von Johnson & Johnson (Janssen-Cilag), einem anderen Impfstoff oder auch während der Einnahme von Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die **Rote-Hand-Briefe** wirkungsvoll zeigen.
Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungenzu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung derArzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.