Was sind Drug Safety Mails?
Drug Safety Mail oder zu Deutsch: Arzneimittel-Sicherheitsbrief ist der Name des Newsletters der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Sie werden regelmäßig veröffentlicht und enthalten – ähnlich wie die Rote-Hand-Briefe – aktuelle Informationen zu möglichen Risiken von Medikamenten. Um Ihnen die bestmögliche medizinische Aufklärung zu bieten, möchten wir Ihnen auch diese Informationen in einer patienten-freundlicheren Sprache zugänglich machen.
Liebe Patientin, lieber Patient,
lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung der Arzneimittelsicherheitsinformation der Arzeimittelkommission (AkdÄ) vom 20. April 2023 über den Fall einer lebensbedrohlichen Agranulozytose nach Einnahme von Metamizol.
Worum geht es?
Die AkdÄ erinnert und warnt eindringlich vor dem Risiko einer Agranulozytose nach Einnahme von Metamizol.
Metamizol ist zugelassen zur Behandlung starker Schmerzen sowie von Fieber, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht. Metamizol ist bekannt unter dem Handelsnamen Novalgin. Mittlerweile gibt es zahlreiche generische Präparate, auch unter dem chemischen Namen Novaminsulfon. In sehr seltenen Fällen kann dieser Wirkstoff eine Agranulozytose als lebensbedrohliche Nebenwirkung zur Folge haben.
Eine Agranulozytose ist eine schwere Störung der Blutbildung im Knochenmark. Vermutlich infolge einer Immunreaktion auf das Arzneimittel werden zu wenig weiße Blutkörperchen (Leukozyten) gebildet. Die zahlenmäßig größte Untergruppe der Leukozyten sind die Granulozyten (45 bis 75% der weißen Blutkörperchen). Ihr Rückgang fällt daher besonders ins Gewicht. Bei einer Agranulozytose sind im Blutbild nur noch sehr wenige dieser Granulozyten vorhanden, aber auch die Zahl der anderen Arten von weißen Blutkörperchen ist verringert. Die weißen Blutkörperchen, die insgesamt normalerweise zwischen 1.800 bis 7.000 Zellen pro Mikroliter Blut ausmachen, sind bei einer Agranulozytose auf eine Anzahl von 500 oder weniger Zellen pro Mikroliter Blut vermindert.
Die Aufgabe der Granulozyten ist vor allem die unspezifische Bekämpfung von Bakterien, Parasiten und Pilzen (angeborene Immunantwort). Granulozyten werden im Knochenmark gebildet und ins Blut abgegeben. Sie können die Blutbahn auch verlassen und ins Gewebe einwandern. Als Fresszellen können sie Krankheitserreger in sich aufnehmen. Danach sterben sie ab. Als biologisches Abbauprodukt entsteht Eiter.
Anlass für diese neuerliche Warnung ist ein aktuell an die Arzneimittelkommission gemeldeter Fallbericht über eine lebensbedrohliche Agranulozytose, die bei einem 37-jährigen bisher gesunden Mann eingetreten ist, der Metamizol in Eigenregie (genaue Dosis und Zeitdauer sind unbekannt) wegen Rückenschmerzen eingenommen hatte.
Als er wegen Halsschmerzen und starken Schluckbeschwerden eine universitäre HNO-Klinik aufsuchte, wurden dort eine ausgeprägte Verminderung der weißen Blutkörperchen auf 200/µl festgestellt sowie eine abgekapselte Vereiterung der Mandeln und des umliegenden Rachengewebes, ein sogenannter Peritonsillarabszess, der operativ saniert wurde. Es entwickelte sich dennoch eine Sepsis (Blutvergiftung) mit Kreislaufschock sowie eine Lähmung aller vier Gliedmaßen. Der Patient musste künstlich beatmet werden und erhielt zur Entwöhnung vom Beatmungsgerät einen Luftröhrenschnitt. Mit Gabe von Wachstumsfaktoren zur Anregung der Bildung von weißen Blutkörperchen im Knochenmark normalisierte sich die Anzahl der Granulozyten langsam. Nach zweieinhalb Wochen war der Patient soweit mobil und konnte versorgt mit einem Rollator in die weitere ambulante Rehabilitation entlassen werden.
Angesichts dieses dramatischen Krankheitsverlaufs warnt die Arzneimittelkommission eindringlich vor eigenmächtiger Einnahme von Metamizol durch Patienten und bittet die Ärzte um Beachtung der folgenden Sicherheitsmaßnahmen:
- Patienten, denen Metamizol verordnet wird, sollen über Warnsymptome einer Agranulozytose wie Fieber, Halsschmerzen und entzündliche Schleimhautläsionen aufgeklärt und aufgefordert werden, bei verdächtigen Symptomen die Anwendung zu unterbrechen und umgehend ärztlichen Rat einzuholen.
- Die Reste von Metamizol aus einer nicht vollständig aufgebrauchten Verordnung sollten nicht zu einem späteren Zeitpunkt vom Patienten eigenständig (d.h. ohne Rücksprache mit dem Arzt) erneut eingenommen oder gar an Dritte weitergegeben werden.
Zur Vermeidung größerer Restbestände nach Abschluss der Behandlung sollten bei kurzzeitiger Behandlung möglichst kleine Packungsgrößen verschrieben werden.
- Bei der Verordnung sollte bedacht werden, dass leicht- bis mäßiggradige Schmerzen wie z. B. Zahn-, Kopf- oder Rückenschmerzen kein zugelassenes Anwendungsgebiet sind.
Hintergrundinformationen
Wegen der Gefahr einer Agranulozytose wurde die Anwendung von Metamizol schon vor Jahren der Verschreibungspflicht und somit einer besseren ärztlichen Überwachung unterstellt. Schon 1987 wurden metamizolhaltige Kombinationspräparate zur Schmerztherapie vom Markt genommen.
In manchen Ländern ist Metamizol sogar ganz vom Markt verschwunden, in manchen Ländern jedoch auch weiterhin rezeptfrei erhältlich.
Was ist zu tun?
Wenn Ihnen Metamizol (Novalgin, Novaminsulfon) wegen starker Schmerzen oder wegen Fiebers, das auf andere Maßnahmen/Medikamente nicht angesprochen hat, von Ihrem Arzt verordnet wurde, achten Sie auf Anzeichen einer möglichen Agranulozytose.
Sie sind ähnlich wie bei einem grippalen Infekt:
- Halsschmerzen
- Schluckbeschwerden
- Mundschleimhaut- und Rachenentzündung
- Entzündungen im Genital- und Analbereich
- Fieber und Schüttelfrost
- Krankheitsgefühl, Abgeschlagenheit
- Lymphknotenschwellungen
Das Zeitintervall zwischen dem Start der Metamizol-Therapie und dem Auftreten dieser seltenen, aber bedrohlichen Nebenwirkung ist individuell unterschiedlich. In 11,2% der dokumentierten Fälle konnte bereits eine ein- oder zweimalige Gabe von Metamizol eine Agranulozytose auslösen, in knapp über der Hälfte der Patienten trat diese in den ersten 21 Tagen nach Einnahme ein, bei einem Drittel der Patienten innerhalb der ersten sieben Tage.
Nehmen Sie übrig gebliebenes Metamizol nicht ohne vorherige Rücksprache mit Ihrem Arzt anlässlich einer anderen schmerz- oder fieberhaften Situation zu einem späteren Zeitpunkt ein.
Geben Sie übrig gebliebenes Metamizol nicht an andere Personen (Familie, Freunde) weiter. Jede Einnahme eines metamizolhaltigen Arzneimittels muss individuell von einem Arzt verordnet werden.
Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!
Beobachten Sie Nebenwirkungen unter der Behandlung mit Metamizol oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie das Instrument der **Rote-Hand-Briefe** und der Arzneimittelsicherheitsinformationen wirkungsvoll zeigt.
Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.
Quellen: DSM vom 20.04.2023