Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich?
Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.
Liebe Patientin, lieber Patient,
lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefes vom 04. Februar 2021 zu Miltefosin (Impavido 10 mg/50 mg Kapseln).
Worum geht es?
In Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) informiert der Hersteller Paesel + Lorei GmbH & Co. KG über das Risiko von Komplikationen am Auge, die durch die Behandlung mit Miltefosin (Impavido) in seltenen Fällen auftreten können.
Miltefosin wird angewendet zur Behandlung der parasitären Tropenkrankheit Leishmaniose, die auch unter den Namen Orientbeule oder Kala Azar bekannt ist. Sie kommt weltweit in den warmen Ländern vor, in Europa im Mittelmeerraum. Die Krankheitserreger werden durch den Stich der Sandmücke übertragen. Die Haut- und Schleimhaut-Leishmaniose (kutane bzw. muko-kutane Leishmaniose) hat oft einen milden Verlauf, der nicht immer einer medikamentösen Therapie bedarf. Jedoch kann der Befall der inneren Organe wie Leber, Milz oder Knochenmark (sogenannte viszerale Leishmaniose) unbehandelt sogar lebensbedrohlich sein und zum Tode führen.
Seit Ende 2004 steht zur Behandlung schwerer Verlaufsformen der Haut- und Schleimhautleishmaniose sowie der viszeralen Leishmaniose das Medikament Impavido (Kapseln zu je 10 mg bzw. 50 mg) für Kinder ab 3 Jahren, Jugendliche und Erwachsene mit dem neuartigen Wirkstoff Miltefosin zur Verfügung. Bei schweren Verläufen, insbesondere bei Patienten mit beeinträchtigtem Immunsystem (medikamentös gewollt zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen oder zur Verhinderung einer Abstoßungsreaktion nach Organtransplantation und bei krankhaft gestörter Immunabwehr infolge HIV-Infektion / AIDS oder Antikörpermangelsyndrom) kann es auch erforderlich sein, die empfohlene Behandlungsdauer von 28 Tagen zu überschreiten.
Hintergrund der Sicherheitsbedenken:
Veränderungen am Auge wie zum Beispiel eine Entzündung der Hornhaut (Keratitis) sind bekannte Symptome der Leishmaniose. Bei der Behandlung der Post-Kala-Azar dermalen Leishmaniose (PKDL), dem Hautbefall im Anschluss an eine überstandene viszerale Leishmaniose, traten jedoch Komplikationen am Auge unter der Behandlung mit Miltefosin auf. Meist war in diesen Fällen Miltefosin über die empfohlene Anwendungsdauer von 28 Tagen hinaus eingenommen worden.
- Patienten sollen deshalb angewiesen werden, sich bei Augenbeschwerden umgehend an ihren Arzt zu wenden.
- Falls ein Zusammenhang mit Miltefosin nicht ausgeschlossen werden kann, sollte das Arzneimittel unverzüglich abgesetzt und gegebenenfalls eine alternative Behandlung der Leishmaniose eingeleitet werden.
Aufgrund der langen Verweildauer (sogenannte Halbwertszeit) im Körper eines Menschen nach Beendigung der Einnahme von Miltefosin kann es vorkommen, dass die Beschwerden an den Augen nach Absetzen nicht ohne Behandlung abheilen. In diesem Fall sollte ein Augenarzt konsultiert werden, um mögliche dauerhafte Schädigungen zu vermeiden. Fallberichten zufolge führten Glukokortikoide (Kortisonpräparate) örtlich am Auge angewendet zu einer Verbesserung der Symptome.
Diese neuen Hinweise wurden in die Produktinformation von Miltefosin (Impavido) aufgenommen.
Was ist zu tun?
Wenn Sie wegen einer Leishmaniose mit Miltefosin (Impavido) behandelt werden, ist es wichtig, das Sie auf Beschwerden an / mit Ihren Augen achten. Dies gilt ganz besonders, wenn Sie das Medikament wegen eines schweren Verlaufs der Leishmaniose länger als die empfohlene Dauer von 28 Tagen einnehmen müssen.
Die in seltenen Fällen mögliche Entzündung der Hornhaut des Auges äußert sich mit typischen Beschwerden wie
- starke Schmerzen im Auge
- Fremdkörpergefühl im Auge
- Lidkrampf (Blepharospasmus): Aufgrund der Schmerzen und des Fremdkörpergefühls kneifen Betroffene das Auge reflexartig zu
- Lichtscheu (Photophobie): Beim Blick ins Licht nehmen die Schmerzen zu
Die Hornhaut (Cornea) ist der durchsichtige Teil der äußeren Augenhaut, der die Pupille bedeckt und von der farbigen Regenbogenhaut (Iris) umgeben ist. Unbehandelt kann eine Entzündung der Hornhaut zu bleibenden Sehschäden führen.
Deshalb sollten Sie bei solchen oder ähnlichen Beschwerden unverzüglich Ihren behandelnden Arzt informieren. Dieser wird versuchen, die mögliche Ursache abzuklären, nämlich ob die Leishmaniose selbst oder auch eine Hornhautverletzung durch einen Fremdkörper oder der Befall der Hornhaut mit Bakterien oder Viren ursächlich ist. Träger von weichen Kontaktlinsen sind hinsichtlich bakterieller oder viraler, also infektiöser Hornhautentzündungen besonders gefährdet!
Wenn sich der Verdacht erhärtet, dass Ihre Augenbeschwerden mit der Einnahme von Miltefosin (Impavido) in ursächlichem Zusammenhang stehen könnten, wird Ihr Arzt das Medikament absetzen und – sofern noch erforderlich – eine andere Behandlung der Leishmaniose einleiten. Wenn die Hornhautentzündung bereits fortgeschritten ist, sollte auch ein Augenarzt hinzugezogen werden. Dieser kann mit Kortisonhaltigen Augentropfen (ggf. auch Augensalbe) den Heilungsverlauf positiv unterstützen.
Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!
Beobachten Sie Nebenwirkungen unter der Behandlung mit Miltefosin (Impavido) oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die **Rote-Hand-Briefe** wirkungsvoll zeigen.
Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.
Quellen: RHB