Ocaliva® (Obeticholsäure): Risiko von schwerwiegenden Leberschäden

Ocaliva® (Obeticholsäure): Risiko schwerwiegender Leberschäden

Ocaliva® (Obeticholsäure): Risiko schwerwiegender Leberschäden

Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich?

Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.

Liebe Patientin, lieber Patient,

lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefes vom 09. Juni 2022 zu Obeticholsäure (Handelsname Ocaliva®).

Worum geht es?

Der Zulassungsinhaber von Obeticholsäure (Handelsname Ocaliva®), die Intercept Pharma International Ltd., informiert in Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über eine neue Gegenanzeige (Kontraindikation) für die Verordnung dieses Arzneimittels.

Obeticholsäure wird angewendet zur Behandlung der primären biliären Cholangitis (PBC) in Kombination mit Ursodeoxycholsäure (UDCA) bei Erwachsenen, die unzureichend auf UDCA ansprechen, oder als einzige Therapie bei Erwachsenen, die UDCA nicht vertragen.

Die Sicherheit und Wirksamkeit von Obeticholsäure konnte bei Patienten mit PBC und dekompensierter Leberzirrhose oder vorheriger Entgleisung der Leberfunktion in klinischen Studien nicht nachgewiesen werden. Ferner liegen Berichte von Leber- und Gallenerkrankungen, einschließlich Leberversagen und Leberzirrhose, nach Markteinführung des Arzneimittels vor, bei denen ein möglicher ursächlicher Zusammenhang zu einer Behandlung mit Obeticholsäure besteht. Bei einigen Patienten mit PBC mit bestehender Leberzirrhose und Leberfunktionsstörung war es unter der Behandlung mit Obeticholsäure zur Entgleisung der Leberfunktion mit Leberversagen gekommen, die eine Lebertransplantation erforderlich machten. Es gab auch Todesfälle.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Sicherheit und Wirksamkeit von Obeticholsäure in klinischen Studien bei dieser Patientengruppe nicht nachgewiesen werden konnte, sowie angesichts der neuen Erkenntnisse aus Berichten nach der Markteinführung ist die Anwendung von Obeticholsäure bei PBC-Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose (einschließlich Child-Pugh-Klasse B oder C, d. h. bei mäßig bis stark ausgeprägter Zirrhose, auch ohne Dekompensation) oder einem vorherigen Dekompensationsereignis nun kontraindiziert und darf ab sofort nicht mehr verordnet werden.                  

Das bedeutet folgendes:

  • Die Behandlung muss bei Patienten mit PBC und dekompensierter Leberzirrhose, die derzeit Obeticholsäure erhalten, abgesetzt werden. 
  • Patienten müssen routinemäßig hinsichtlich eines Fortschreitens der PBC überwacht werden, und die Behandlung mit Obeticholsäure muss bei Patienten mit Laborwerten oder klinischen Anzeichen, die auf ein Versagen der Leberfunktion (hepatische Dekompensation) hindeuten, einschließlich eines Übergangs von Child-Pugh-Klasse A zur Child-Pugh-Klasse B oder C, dauerhaft abgesetzt werden.  
  • Die Behandlung mit Obeticholsäure darf nicht begonnen werden, wenn bei dem Patienten eine dekompensierte Leberzirrhose vorliegt oder vor Behandlungsbeginn in der Vorgeschichte ein Dekompensationsereignis aufgetreten ist.  

Die Fachinformation für Ärzte und Apotheker und die Gebrauchsinformation für Patienten werden aktualisiert, um diese neue Kontraindikation und zusätzliche Warnhinweise auf der Grundlage neu verfügbarer Sicherheitsdaten abzubilden.

Hintergrundinformationen

Was ist PBC?

Die primär biliäre Cholangitis, kurz PBC, ist eine von den in der Leber verlaufenden Gallengängen ausgehende Erkrankung, die mit Entzündung und Umbau der Leber in funktionsloses Bindegewebe (Fibrose) einhergeht und in ihrem Endstadium in die Leberzirrhose (Schrumpfleber) übergeht.

Die primär biliäre Cholangitis ist für etwa 1 % aller Leberzirrhosen verantwortlich. Es sind überwiegend Frauen mittleren Alters von einer primär biliären Cholangitis betroffen. In über 95 % der Patienten sind antimitochondriale Antikörper (AMA) nachzuweisen, sodass von einer Autoimmunerkrankung ausgegangen wird.
Als Begleiterkrankungen außerhalb der Leber treten bei PBC unter anderem Zöliaki
e, Sklerodermie, Sjögren-Syndrom, Hashimoto-Thyreoiditis oder auch eine rheumatoide Arthritis auf, die ebenfalls Autoimmunerkrankungen sind.
Bis zum Jahr 2015 bezeichnete man die Erkrankung als „primär biliäre Zirrhose“; dann wurde ihr Name in „primär biliäre Cholangitis“ abgeändert, da die Erkrankung von einer Entzündung der Gallenwege ausgeht und die Zirrhose lediglich den Endzustand der Erkrankung beschreibt. Zudem entwickeln dank früher Diagnose und Therapie heute viele PBC-Patienten keine Leberzirrhose mehr.

Durch den Angriff der Autoantikörper kommt es zur Entzündung der Gallenwege. Diese Entzündungen führen zu Vernarbungen, welche die Gallenwege verengen und verschließen. Im Vordergrund des Krankheitsbildes steht somit der Stau der Gallenflüssigkeit, die nicht mehr in den Zwölffingerdarm abfließen kann und dann auch nicht beim Verdauungsvorgang von Fett in der Nahrung zur Verfügung steht. Permanenter Juckreiz, Anstieg des Bilirubin mit Gelbfärbung der Lederhaut am Auge, der Schleimhäute und der Haut sowie Fettstühle sind äußere Zeichen; zu Beginn der Erkrankung findet man unspezifische Symptome wie chronische Müdigkeit und Leistungsknick.

Die Behandlung besteht in der Gabe von Ursodeoxycholsäure (UDCA). Sie verbessert den Stau der Gallenflüssigkeit (Cholestase). Durch die zusätzliche Gabe von Kortison soll der Entzündungsprozess der Gallengänge eingedämmt und verlangsamt werden.  Ein weiterer verfügbarer Wirkstoff, der seit Dezember 2016 in Verbindung mit UDCA eingesetzt wird, ist die Obeticholsäure. Zur symptomatischen Therapie des Juckreizes wird Colestyramin eingesetzt (Förderung der Ausscheidung der Gallensäuren, Senkung des Cholesterins).

Was ist die Child-Pugh-Klassifikation?

Die Child-Pugh-Kriterien dienen zur einheitlichen Beschreibung und Einteilung der Leberzirrhose nach dem Schweregrad der Symptome in den unterschiedlichen Stadien. Berücksichtigt werden 5 Kriterien, die eine Aussage über die Leberfunktion zulassen:

  • Albumin (Eiweiß, das von der Leber gebildet wird –  vermindert bei Leberinsuffizienz)
  • Bilirubin (Gallenfarbstoff – erhöht bei Gallenstau)
  • Quick– oder INR-Wert (Gerinnungsfähigkeit des Blutes durch Gerinnungsfaktoren, die in der Leber gebildet werden – verringert bei Leberinsuffizienz)
  • Aszites (Bauchwasser) im Ultraschall (tritt auf bei Leberzirrhose – je mehr desto schlimmer)
  • Enzephalopathie (Funktionsstörung des Gehirns bei eingeschränkter Leberfunktion aufgrund verringerter Entgiftungsleistung insbesondere für stoffwechselbedingt entstandenen Ammoniak)

Die Ausprägung jedes dieser 5 Kriterien kann mit 1 bis 3 Punkten bewertet werden, die in der Summe 5 bis 15 Punkte ergeben. Je höher die Punktzahl, desto stärker ist auch die Leberleistung eingeschränkt:

  • 5 bis 6 Punkte = Child-Pugh-Klasse A
  • 7 bis 9 Punkte = Child-Pugh-Klasse B
  • 10 bis 15 Punkte = Child-Pugh-Klasse C

Was ist zu tun?

Wenn Sie mit Obeticholsäure behandelt werden, wird Ihr Arzt Ihre Leberfunktion engmaschig überwachen. Nehmen Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit die Termine zur Blutentnahme konsequent wahr und sorgen Sie ggf. auch durch eigene Nachfrage dafür, dass dies im Praxisalltag nicht untergeht und vergessen wird.

Durch Selbstbeobachtung können Sie Ihren Arzt auf kleine Veränderungen hinweisen, die bei der Untersuchung in der Praxis vielleicht gar nicht auffallen würden.

Eine erhebliche Beeinträchtigung der Leberfunktion zeigt sich beispielsweise durch folgende Symptome:

  • Druckempfindlichkeit im rechten Oberbauch
  • Juckreiz (verstärkt)
  • entfärbter Stuhl und dunkler Urin
  • Appetitlosigkeit
  • Ekel gegen Fleisch
  • Gewichtsverlust
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Aufgeblähter Bauch und Völlegefühl
  • Häufig auftretendes Nasenbluten                                                                                                    
  • verstärkte Neigung zu Blutergüssen
  • Gelbfärbung von Haut und Augen

Wenn Sie eines oder mehrere der oben beschriebenen Symptome bemerken, wenden Sie sich sofort an Ihren Arzt. Ihr Arzt wird dann entscheiden, ob Ihre Behandlung mit Obeticholsäure abgebrochen werden muss.

Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!

Beobachten Sie Nebenwirkungen unter der Behandlung mit Obeticholsäure (Ocaliva) oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die **Rote-Hand-Briefe** wirkungsvoll zeigen.

Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.

Quellen: RHB

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