11-Jährige erleidet Gadoliniumvergiftung

Besonders tragisch ist der Bericht einer Mutter über die schweren Nebenwirkungen ihrer Tochter, die sie nach Verabreichung eines gadolinium-haltigen Kontrastmittels erlitt.

MRT wegen Gehirnerschütterung – mit schwerwiegenden Folgen

Die Mutter berichtete uns die Krankengeschichte ihrer Tochter, die aufgrund einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus gekommen war. Da die Beschwerden nach ungefähr einer Woche noch nicht vollständig abgeklungen waren, rieten die Ärzte zur Abklärung des verzögerten Heilungsverlauf ein MRT an; dabei wurde das makrozyklische Kontrastmittel Dotarem (Gadotersäure) genutzt.

“Eine Untersuchung machte das Leben meiner Tochter zur Hölle”

Bereits direkt nach dem MRT – so die Mutter – hätten die ersten Symptome eingesetzt: Die Tochter erschien benommen und klagte über Schwindel, einhergehend mit Schwächegefühlen und großer Erschöpfung. Das Mädchen kauerte sich in Embryonalstellung zusammen.
Bereits wenige Tage später, inzwischen wieder zu Hause, steigerten sich die Beschwerden mit brennenden und kribbelnden Schmerzen an den Beinen sowie Taubheitsgefühlen, Krämpfen und Lähmungserscheinungen. Das Mädchen beschreibt die Schmerzen “wie Blitzschläge”. Oft kehren die Symptome mehrmals am Tag wieder: “Die Beine werden tauber, krampfen, (…) sind komplett kraftlos. Das Gleiche, was mit den Beinen passiert, passiert regelmäßig am ganzen Körper, bis in die Finger. Das kann mehrere Stunden anhalten.”

Aufgrund der Beschwerden kehrte die Mutter mit ihrer Tochter ins Krankenhaus zurück, wo sie auf mögliche Zusammenhänge mit dem Kontrastmittel aufmerksam machte. Sie hatte sich auf der Suche nach einer Erklärung für die heftigen, aber unspezifischen Symptome ihrer Tochter bereits im Internet informiert. Im Krankenhaus wurden ihre Vermutungen jedoch nicht ernst genommen und ein Zusammenhang als nicht möglich dargestellt. In der Folge wurde eine Lumbalpunktion vorgenommen. Das verursachte extreme Schmerzen bei dem Kind, brachte aber keine Ergebnisse. Nach einer
Woche ohne erkennbare Bereitschaft des Krankenhauses, sich ernsthaft um die Beschwerden des Mädchens kümmern zu wollen, ließ die Mutter ihre Tochter in ein anderes Krankenhaus verlegen. Doch auch dort blieb ihr Appell an die Ärzte, eine Gadolinium-Vergiftung in Betracht zu ziehen, ungehört.

Die Beschwerden zeigten sich weiterhin schubartig und mit wechselnder Intensität als Lähmungen und Schmerzen, für die es keine offizielle Erklärung gab. Spezifische Untersuchungen hinsichtlich einer Gadoliniumvergiftung wurden weiterhin nicht vorgenommen. Stattdessen wurde die Tochter nach zwei Wochen mit der Diagnose „toxische Wirkung von Metall nicht weiter bezeichnet, Somatisierungsstörung“
entlassen.
Nach einer weiteren Woche ließ die Mutter selbst in einem darauf spezialisierten Labor auf Gadolinium testen und erhielt die Bestätigung ihrer Vermutung: Der Wert des Gadoliniums in der Urinprobe lag noch drei Wochen nach dem MRT 137-fach höher als der Referenzwert erlaubt. Laut der Mutter gab es weder Vorerkrankungen noch anderweitige Medikamenteneinnahmen, zu denen ein Zusammenhang mit dem Beschwerdebild bestehen könnte.

Das Leiden hielt weiterhin an, mal mit leichten Besserungen, doch immer wieder auch mit Rückschlägen. Erst in der Praxis von Peter Jennrich, mit toxikologischem Schwerpunkt, fand die Mutter Unterstützung für Ihre Tochter. Unter seiner Aufsicht wurde eine Entgiftungstherapie durchgeführt. Eine Besserung der Symptomatik konnte inzwischen – nach knapp einem Jahr – erreicht werden, eine tatsächliche Heilung steht für das junge Mädchen derzeit noch aus.
“Sie nimmt Geräusche oft lauter und unangenehmer war als andere, das stresst sie sehr. Manchmal helfen dann nur Kopfhörer. Teilweise hat sie noch immer täglich Lähmungserscheinungen und Schmerzen.”, schreibt uns ihre Mutter. Durch den Vorfall muss das Mädchen außerdem die 4. Klasse wiederholen. “Wir glauben, dass ihre Symptome auch die nächsten Jahre noch da sein werden und hoffen einfach nur, dass sie irgendwann ganz verschwinden.”

Für die Kosten der selbst veranlassten Laboruntersuchungen, die Diagnostik und die Behandlung der Gadolinium-Vergiftung muss die Mutter des Mädchens selbst aufkommen, da die Krankenkasse auch in diesem Falle keine Übernahme vorsieht. Die Mutter erklärt, wieso: “Die Krankenkassen sagen, die Wirkung der Therapie zur Ausleitung mit DTPA sei nicht ausreichend mit Studien belegt. Deshalb gibt es keine Erstattung.” Auch sei eine Vergiftung durch ein MRT-Kontrastmittel noch keine anerkannte Krankheit.

Mehr Aufmerksamkeit nötig

Dotarem zählt als makrozyklisches MRT-Kontrastmittel zu den als sicher eingestuften Präparaten. Dennoch handelt es sich bei dem Arzneimittel um das Produkt, welches bei der 11-Jährigen schwere Gesundheitsprobleme auslöste.

In den Fachinformationen zu dem Präparat ist zu lesen:
„Die Gadotersäure wird schnell (89% nach 6 Stunden; 95 % nach 24 Stunden) in unveränderter Form durch glomeruläre Filtration über die Nieren ausgeschieden. Die über den Stuhl ausgeschiedene Dosis ist sehr gering. Es wurden keine Metaboliten nachgewiesen. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt ca. 1,6 Stunden bei Patienten mit normaler Nierenfunktion. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist die Eliminationshalbwertszeit verlängert (bei einer Kreatinin-Clearance von 30 – 60 ml/min bis auf 5 Stunden und bei einer Kreatinin-Clearance von 10 – 30 ml/min bis auf 14 Stunden). In Tierversuchen wurde gezeigt, dass Gadotersäure durch Dialyse entfernt werden kann.

Unter der Überschrift „Präklinische Daten zur Sicherheit” findet sich Folgendes:
“Basierend auf den konventionellen Studien zur Sicherheitspharmakologie, Toxizität bei wiederholter Gabe, Genotoxizität oder Reproduktionstoxizität lassen die präklinischen Daten keine besonderen Gefahren für den Menschen erkennen. Tierstudien zeigten eine vernachlässigbare (weniger als 1% der verabreichten Dosis) Ausscheidung von Gadotersäure in die Muttermilch.“

Es wird deutlich: auch bei diesen Präparaten sind nicht alle Sicherheitsrisiken bekannt. Insbesondere für Kinder ist die Studienlage bei vielen Medikamenten oft sehr dünn und dadurch wenig aussagekräftig.

Grundlegend gilt die einmalige Gabe von MRT-Kontrastmitteln als unproblematisch, wie die Ergebnisse zahlreicher Studien belegen. Problematisch sind Mehrfachgaben, zumal solche in kurzen zeitlichen Abständen, wie sie in der Herz- und Gefäßdiagnostik mittlerweile sehr verbreitet sind. Um Risiken vorzubeugen, sollte dennoch stets die medizinische Notwendigkeit einer Kontrastmittel-Verstärkung bei einem MRT im Einzelfall hinterfragt und der Nutzen gegenüber den potenziellen Gefahren abgewogen werden.

Mit der Veröffentlichung ihres Berichts erhofft sich die Mutter des jungen Mädchens mehr Aufklärung und Aufmerksamkeit für dieses Thema – damit anderen solche Probleme vielleicht zukünftig erspart bleiben.

Haben Sie bei sich oder Angehörigen Symptome nach einer MRT-Kontrastmittelgabe festgestellt?

Nach dem derzeitigen Kenntnisstand der Wissenschaft gehen Hersteller und Behörden von der Sicherheit der makrozyklischen Kontrastmittel bei gesunden Menschen aus. Leider sind nicht wenige der Patienten aber bereits durch Vorerkrankungen belastet, wenn die Indikation für eine MRT-Untersuchung mit Kontrastmittel gestellt wird.
Nur, wenn Sie Nebenwirkungsverdachtsfälle mit detailiierten Symptombeschreibungen und genauer Benennung des verwendeten Präparats an die für die Arzneimittelüberwachung zuständigen Stellen senden, können neue Bewertungsverfahren bei den Behörden und Herstellern in Gang gesetzt werden.

Melden Sie daher Ihre Beobachtungen von möglichen Nebenwirkungen nach einer Kontrastmittelgabe oder auch bei der Einnahme anderer Medikamente. Die Online-Meldeplattform von Nebenwirkungen.de bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.
Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie die Rote-Hand-Briefe wirkungsvoll zeigen.

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