Rote-Hand-Briefe – was ist das eigentlich?
Mit den sogenannten ”Rote-Hand-Briefen” informieren die Pharmahersteller medizinische Fachkreise, d.h. Ärzte und Apotheker, über neu entdeckte Arzneimittelrisiken, wie etwa über Erkenntnisse zu neuen Neben- und Wechselwirkungen sowie fehlerhaften Produkten, die die Sicherheit eines Arzneimittels betreffen. In unserer neuen Rubrik fassen wir für Sie die primär an Fachkreise gerichteten Rote-Hand-Briefe einfach und kompakt zusammen. So sind Sie als Patient immer bestens über neue sicherheitsrelevante Ereignisse informiert, die die Einnahme von Medikamenten betreffen.
Liebe Patientin, lieber Patient,
lesen Sie hier unsere “patientenfreundliche” Fassung des Rote-Hand-Briefs vom 6. Juli 2021 zu Xeljanz (Tofacitinib). Er nimmt Bezug auf den Rote-Hand-Brief vom 24. März 2021.
Worum geht es?
Der Hersteller Pfizer informiert in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erneut über ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems (kardiovaskuläre Ereignisse) und bösartige (maligne) Erkrankungen bei der Verwendung von Xeljanz (Tofacitinib) im Vergleich zur Behandlung mit einem Medikament aus der Gruppe der sogenannten TNF-alpha-Inhibitoren.
Die Anwendung von Tofacitinib bei älteren Patienten (ab 65 Jahren) sowie bei Patienten mit entsprechenden Vorerkrankungen / Risikofaktoren, wozu auch aktive Raucher und Ex-Raucher zählen, wird eingeschränkt.
Schon in den vergangenen Jahren waren Sicherheitsbedenken hinsichtlich Xeljanz und dem Auftreten von Thrombosen, Lungenembolien und schwerwiegenden Infektionen veröffentlicht worden, nachzulesen im Rote-Hand-Brief vom 20. März 2020 sowie vom 20. März und 2. Mai 2019.
In einer klinischen Studie war die Sicherheit von Tofacitinib im Vergleich zu einem TNF-alpha-Inhibitor bei Patienten mit rheumatoider Arthritis im Alter ab 50 Jahren untersucht worden, die neben ihrem Alter mindestens einen weiteren Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen aufwiesen. Dazu zählten vorbestehende Herz-Kreislauferkrankugen (Bluthochdruck, Verengung der Herzkranzgefäße mit früherem Herzinfarkt, Stent- oder Bypass-Operation), Zuckerkrankheit, Übergewicht, Nikotinkonsum (aktuell und früher).
In dieser Studie war die Häufigkeit von Herzinfarkten und bösartigen Erkrankungen unter der Behandlung mit Tofacitinib erhöht im Vergleich zu den Patienten, die mit TNF-alpha-Inhibitoren behandelt wurden. Als besonders gefährdet erwiesen sich ältere Patienten (ab 65 Jahre) mit vorbestehenden Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems einschließlich Diabetes und Übergewicht sowie aktive und ehemalige Raucher. Die häufigsten bösartigen Erkrankungen waren Lungenkrebs und Lymphome, einzig der nicht-melanozytäre Hautkrebs, NMSC war nicht vermehrt aufgetreten.
Als nicht-melanozytären Hautkrebs bezeichnet man die hellen Hautkrebsarten („weißer Hautkrebs“) wie das Basalzellkarzinom (Basaliom). Dieser ist die im Vergleich zum melanozytären Hautkrebs („schwarzer Hautkrebs“, Melanom) die wesentlich häufigere Krebsart.
Lymphome sind bösartige Zellvermehrungen im Lymphatischen System, d.h. der Lymphknoten, der Milz sowie der Lymphozyten). Medizinisch unterscheidet man 2 Hauptgruppen: die Hodgkin-Lymphome („Lymphdrüsenkrebs“) und die Non (= Nicht) -Hodgkin-Lympome (NHL, z.B. das Plasmozytom, das man auch als Multiples Myelom bezeichnet).
Während der Rote-Hand-Brief von März 2021 noch auf den vorläufigen Studienergebnissen basierte, werden nach Abschluss der Bewertung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur nun folgende Empfehlungen zur Behandlung mit Tofacitinib gegeben:
- Bei Patienten über 65 Jahren, bei Patienten, die gegenwärtig rauchen oder früher geraucht haben, bei Patienten mit anderen kardiovaskulären Vorerkrankungen und bei Patienten mit anderen Risikofaktoren für bösartige Erkrankungen sollte Tofacitinib nur eingesetzt werden, wenn es keine geeigneteren Behandlungsalternativen gibt.
- Die verordnenden Ärzte sollten Patienten über diese Risiken aufklären, einschließlich des Risikos für Myokardinfarkt, Lungenkrebs und Lymphom.
Die Produktinformation und das Schulungsmaterial für Ärzte werden entsprechend aktualisiert.
Was ist Xeljanz (Tofacitinib) und wie wirkt es?
Xeljanz (Tofacitinib) ist ein JAK-Inhibitor; es hemmt das Enzym Janus-Kinase, das an der Entstehung und Ausbreitung von Entzündungsreaktionen im Körper eine maßgebliche Rolle spielt. Xeljanz (Tofacitinib) zählt zur Wirkstoffgruppe der Immunsuppressiva und wird zur Behandlung erwachsener Patienten mit folgenden Autoimmun-Erkrankungen eingesetzt:
- mittelschwere bis schwere aktive rheumatoide Arthritis (Gelenkrheuma)
- aktive Psoriasis-Arthritis (entzündliche Gelenkerkrankung, die häufig bei Schuppenflechte / Psoriasis auftritt)
- mittelschwere bis schwere aktive Colitis ulcerosa (chronisch entzündliche Erkrankung des Dickdarms)
Schon zuvor durfte Xeljanz (Tofacitinib) nur dann verschrieben werden, wenn die Patienten nicht auf die jeweiligen konventionellen Therapien angesprochen oder diese nicht vertragen haben.
Die beiden zugelassenen Dosierungen betragen 5mg zweimal täglich und 10mg zweimal täglich, letztere darf allerdings nur bei Colitis ulcerosa für die ersten 8, maximal 16 Wochen der Behandlung verschrieben werden.
Was ist zu tun?
Wenn Sie an Gelenkentzündungen (durch Rheuma oder Schuppenflechte) oder an der entzündlichen Dickdarmerkrankung Colitis ulcerosa leiden, benötigen Sie in der Regel Medikamente, welche die gegen Ihren eigenen Körper gerichteten Überreaktionen Ihres Immunsystems eindämmen. Eine Behandlung mit Xeljanz (Tofacitinib) soll bei allen Patienten grundsätzlich nur mit größter Vorsicht erfolgen. Bei der ärztlichen Entscheidung, Xeljanz (Tofacitinib) zu verschreiben, müssen Nutzen und Risiko für den Patienten abgewogen und auch alternative Präparate in Betracht gezogen werden.
Auch das erhöhte Risiko für das Auftreten von Lungenembolien muss bei Risikopatienten beachtet werden. Näheres dazu im Rote-Hand-Brief vom 20.März 2020.
Als Patient dürfen Sie aus falsch verstandener Vorsicht jedoch keinesfalls eine laufende Behandlung mit Tofacitinib ohne vorherige Rücksprache mit Ihrem Arzt beenden und sollten sich bei Fragen an diesen wenden.
Außerdem: Melden Sie Ihre Nebenwirkung!
Beobachten Sie Nebenwirkungen unter der Behandlung mit Xeljanz oder auch mit anderen Medikamenten, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zu aktualisieren, wie das Instrument der **Rote-Hand-Briefe** und der Arzneimittelsicherheitsinformationen wirkungsvoll zeigen.
Unser Meldeservice bietet Ihnen hierfür die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei, indem eine bessere Informationsbasis für die zukünftige Verordnung von Arzneimitteln geschaffen wird.