Nebenwirkungen Wechselwirkungen

Nebenwirkungen und Wechselwirkungen: Feine Unterschiede?

Immer wieder geht aus Nachrichten hervor, dass es Patienten schwer fällt, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen voneinander zu unterscheiden. Mit diesem Artikel möchten wir für Sie Licht ins Dunkel bringen!

Was sind Nebenwirkungen?

Nebenwirkungen sind Wirkungen eines Arzneimittels, die zusätzlich zur erwünschten Hauptwirkung eintreten können. 

Manchmal sind es sogar weitere positive Effekte, doch meistens handelt es sich um unerwünschte Arzneimittel-Wirkungen, kurz: UAW. 

Diese können typisch für den Arzneistoff sein und sind dosisabhängig (z.B. eine zu starke Blutdrucksenkung oder Verlangsamung des Herzschlags bei Einnahme eines Betablockers oder auch untypisch, nicht vorhersehbar und auch nicht dosisabhängig (z.B. allergische oder andere Überempfindlichkeitsreaktionen). 

Wie schwerwiegend Nebenwirkungen sein können, hat vor einigen Jahrzehnten vor allem der Contergan-Skandal gezeigt, bei dem ein vermeintlich harmloses Beruhigungsmittel bei schwangeren Frauen zu schweren Fehl- und Missbildungen des ungeborenen Kindes führte.

Einträge im Beipackzettel

Angaben zu Nebenwirkungen müssen nach gesetzlicher Vorschrift in einem einheitlichen Format  im Beipackzettel eines Arzneimittels aufgeführt werden. Wann immer Ihnen also ein neues Medikament verordnet wird, sollten Sie einen Blick in den klein gefalteten Zettel werfen. Alternativ kann man aber auch online inzwischen alle Beipackzettel einsehen – und braucht dafür noch nicht mal eine Lupe!

Halten Sie immer Rücksprache mit Ihrem Arzt

Sollten Sie die Vermutung haben, dass ein Medikament bei Ihnen Beschwerden auslöst, bei denen es sich möglicherweise um Nebenwirkungen handelt, sollten Sie das dringend mit Ihrem Arzt besprechen. 

Dieser kann Ihnen dann ein anderes Präparat verordnen, wenn die aufgetretenen Beschwerden zu gravierend sind. Außerdem wird er Hinweise zum richtigen Absetzen des aktuell eingenommenen Präparates geben.

Sollte es keine sinnvolle Alternative zu dem schlecht verträglichen Medikament geben, spricht er Empfehlungen aus, die Ihnen den Umgang mit den Nebenwirkungen zumindest erleichtern können. 

Was sind Wechselwirkungen?

Wer regelmäßig Medikamente einnimmt, wurde vielleicht schon von seinem Arzt oder Apotheker darauf hingewiesen, dieses zu einem bestimmten Zeitpunkt einzunehmen – z. B. vor oder eben nach dem Essen oder keinesfalls zusammen mit einem Milchprodukt. 

Wer mehr als ein Medikament einnehmen muss, hat möglicherweise auch die Erfahrung gemacht, dass Medikament A nicht mit Medikament B gemeinsam geschluckt werden darf und deshalb ein zeitlicher Abstand von z. B. mindestens vier Stunden dazwischen liegen muss. 

Oder Medikament A darf überhaupt nicht mit Medikament B kombiniert werden, und falls eines der beiden zuvor eingenommen wurde, muss ein Abstand von mehreren Tagen dazwischen liegen, bevor mit dem anderen überhaupt begonnen werden darf. 

All diese Angaben sind wichtig, um sogenannte Wechselwirkungen zu vermeiden.

Kleiner Saft, große Wirkung: Vorsicht bei Grapefruit, Cranberry und Goji

Wechselwirkungen können zwischen Arzneimitteln, aber auch zwischen einem Medikament und bestimmten Lebensmitteln auftreten.

Grapefruitsaft und Wechselwirkungen

Ein berühmt berüchtigtes Beispiel ist Grapefruitsaft

Er enthält Flavonoide wie Naringenin und Naringin sowie Dihydroxybergamottin, ein sogenanntes Furanocumarin. Diese kommen aber auch in anderen Zitrusfrüchten vor (z. B. in Pampelmusen, Pomelos, Pomeranzen = Bitterorangen oder in Limetten). 

Diese Stoffe hemmen im Darm ein bestimmtes Enzym (CYP3A4), das für den ersten Verstoffwechselungsprozess zahlreicher Medikamente gleich beim Übertritt vom Darm ins Blut benötigt wird.

Ist die Aktivität dieses Enzyms gehemmt, gelangen größere Mengen (als beabsichtigt) eines Arzneimittelwirkstoffs ins Blut, und es kommt  zu erheblichen Überdosierungen, was zu teils schweren Nebenwirkungen führen kann.

Betroffen sind nur Medikamente, die durch den Mund (oral) eingenommen werden. Dem zwingend notwendigen Abbau durch das von Grapefruit & Co gehemmte Enzym CYP3A4 unterliegen z. B. folgende Mittel:

  • Cholesterinsenker (Statine): Atorvastatin, Lovastatin und Simvastatin
  • Magen-Darm-Präparate: Domperidon
  • Nervensystem-Medikamente: Fentanyl (oral), Ketamin (oral), Quetiapin, Triazolam
  • Herz-Kreislauf-Präparate: Clopidrogel, Chinidin, Rivaroxaban, Apixaban

Wenn Sie eines der oben genannten Medikamente einnehmen müssen, müssen Sie auf den Konsum von Grapefruit(saft) & Co verzichten. 

Denn auch die Einhaltung eines zeitlichen Abstands zur Tabletteneinnahme hilft hier nicht, weil die Hemmung des Enzyms CYP3A4 durch diese Zitrusfrüchte schon nach einmaligem Verzehr mehrere Tage anhalten kann.

Mandarinen und Orangen enthalten die CYP3A4-hemmenden Flavonoide und Furanocumarine übrigens nicht und können daher bedenkenlos als Früchte oder Saft verzehrt werden.

Superfoods und Wechselwirkungen

Vorsicht geboten ist aber auch bei den sogenannten Superfoods: 

Dazu zählen Cranberrysaft, Grünteeextrakt und Gojibeeren oder auch Chia-Samen, die zusammen mit Medikamenten leicht Wechselwirkungen hervorrufen können

Alle hier genanntenverlängern die Blutungszeit und verstärken damit unkontrollierbar die Wirkung von Blutgerinnungshemmern (z. B. Marcumar/Warfarin oder der neuartigen Stoffe wie Apixaban oder Rivaroxaban). 

Die Einnahme von Ingwer wirkt blutzuckersenkend

Patienten, die ohnehin schon blutzuckersenkende Medikamente einnehmen, müssen aufpassen, dass der Blutzuckerspiegel nicht zu stark abfällt und sie eine Unterzuckerung erleiden. Ingwer kann zudem auch Einfluss auf die Blutgerinnung haben. 

Jod und Wechselwirkung mit Schilddrüsenmedikamenten

Jod beeinflusst die Schilddrüsenfunktion. Bei Einnahme  von Medikamenten zur Behandlung einer Schilddrüsenunter- bzw. -überfunktion sollten Sie Rücksprache mit Ihrem Arzt halten, ob Sie Ihre tägliche Jodzufuhr einschränken müssen. 

Da vielen Fertignahrungsmitteln, auch Backwaren aus der Bäckerei,  häufig jodiertes Speisesalz zugesetzt ist (in Bio-Produkten in der Regel das etwas weniger jodhaltige Meersalz), sollten Sie die Angaben zu den Inhaltsstoffen auf der Verpackung von Lebensmitteln gründlich studieren und beim Bäcker ggf. nachfragen, welche Art von Salz er verwendet. Nicht-jodiertes Salz wird üblicherweise als Speisesalz, Kochsalz oder auch nur als Salz deklariert.

Hinweis: In vielen Multivitaminpräparaten, die zur “Rundum-Versorgung” auch Spurenelemente enthalten, ist üblicherweise neben Eisen, Mangan, Kupfer und Zink auch Jod enthalten.

Weitere Beispiele finden Sie in diesem Artikel.

Schwere Wechselwirkungen durch Johanniskraut

Ein beliebtes Arzneimittel bei Stimmungsschwankungen, seelischer Unausgeglichenheit, Angst und leichteren depressiven Zuständen ist Johanniskraut, das sogar rezeptfrei in Drogeriemärkten erhältlich ist. 

Aber auch hier heißt es aufpassen und die Packungsbeilage genau studieren: 

Abgesehen davon, dass man sich während der Einnahme von Johanniskraut aufgrund seiner sensibilisierenden Wirkung gegenüber UV-Licht keiner direkten Sonnenstrahlung aussetzen soll, um heftigen Sonnenbrand zu vermeiden, gibt es eine Vielzahl von Arzneimitteln, deren Wirkung unter dem Einfluss von Johanniskraut entweder verstärkt oder abgeschwächt werden kann. 

Es sollte nicht zusätzlich zu verschreibungspflichtigen Antidepressiva wie Paroxetin, Sertralin oder Trazodon eingenommen werden, da es zu einem gefährlichen Anstieg des Serotoninspiegels bis hin zum lebensbedrohlichen Serotonin-Syndrom kommen kann. 

Johanniskraut verstärkt die Aktivität des Enzyms CYP3A4 in der Leber (sogenannte Enzyminduktion). Dadurch werden Arzneimittel, die in der Leber mit hilfe dieses Enzyms verstoffwechselt werden, schneller abgebaut und verlieren somit einen Teil ihrer Wirkung.

Welche Medikamente werden durch Johanniskraut beeinflusst?

Betroffen sind:

  • Immunsuppressiva wie Tacrolimus, Sirolimus oder auch Ciclosporin zur Verhinderung einer Abstoßungsreaktion z.B. nach einer Nierentransplantation;
  • Zytostatika wie Irinotecan und Imatinib;
  • Blutverdünner wie Warfarin/Phenprocoumon (Marcumar);
  • hormonale Kontrazeptiva (Antibabypille);
  • Cholesterinsenker (Statine) wie Simvastatin;
  • Asthmamittel wie Theophyllin;
  • Beruhigungsmittel wie Midazolam;
  • das Medikament Verapamil zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen
  • sowie die sogenannten trizyklischen Antidepressiva wie Amitriptylin.

Wenn Sie eines dieser Medikamente einnehmen, sollten Sie bei depressiven oder ängstlichen Verstimmungen nicht zu Johanniskraut greifen. Gerade junge Frauen, die unter Einnahme der Antibabypille nicht selten an depressiven Verstimmungen als eine der typischen Nebenwirkungen der Pille leiden, dürfen diese nicht mit einem Johanniskraut-haltigen Präparat behandeln, da die empfängnisverhütende Wirkung der Pille dadurch vermindert wird und eine ungewollte Schwangerschaft eintreten kann. 

Wenn Sie Johanniskraut bisher eingenommen haben und Ihr Arzt verordnet Ihnen eines der hier aufgeführten Medikamente, muss Johanniskraut einige Tage zuvor abgesetzt worden sein, bevor mit der Einnahme des rezeptierten Medikaments begonnen werden kann. 

Des Weiteren: Bei einer geplanten Operation sollte Johanniskraut wegen seiner blutverdünnenden Wirkung mindestens einen Tag zuvor abgesetzt worden sein, um Blutungskomplikationen zu vermeiden.                                                                                                

Kleine, gesunde Pillen? Was Sie über Nahrungsergänzungsmittel wissen müssen

Wechselwirkungen können auch durch die Einnahme pflanzlicher Mittel oder durch Nahrungsergänzungsmittel hervorgerufen werden.

Die zusätzliche Einnahme von Magnesium kann zu Wechselwirkungen mit bestimmten Antibiotika (z.B. Penicilline, Tetracycline und Herzglykoside/Digoxin) führen.

Gleiches gilt auch für Milchprodukte, die man nicht zeitgleich mit der Einnahme von Tetrazyklinen, Fluorchinolonen (Gyrasehemmer wie Ciprofloxacin, Norfloxacin) oder Eisenpräparaten verzehren darf, weil das in der Milch enthaltene Kalzium mit dem Medikament eine chemisch-physikalische Verbindung eingeht, die man als Komplexbildung bezeichnet.

Diese Kalzium-Medikamenten-Komplexe haben dann eine Größe, die eine Wirkstoffaufnahme durch den Darm ins Blut erschweren, so dass nur eine unzureichende Dosis ankommt und die Wirksamkeit des Arzneimittels eingeschränkt ist.

Übrigens: Eisenpräparate sollten aufgrund von Komplexbildung auch nicht mit Tee oder Kaffee (selbst ohne Milch!) eingenommen werden. Die Aufnahme des Eisens gelingt am besten mit gebührendem Abstand zur Nahrungsaufnahme (auf nüchternen Magen etwa eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit oder spät am Abend vor dem Zubett-Gehen, also einige Stunden nach dem Abendessen).

Die gleichzeitige Anwesenheit von Vitamin C, das aus diesem Grund häufig bereits in einem Eisenpräparat enthalten ist, erhöht diesen positiven Effekt zusätzlich. 

Wer Fischöl und damit Omega-3-Fettsäuren zu sich nimmt, verlängert ebenfalls die körpereigene Blutungszeit. Bei der Einnahme von Blutgerinnungshemmern (z. B. Heparin, Ibuprofen oder Diclofenac) ist also Vorsicht geboten.

Auch Gingko-Präparate, die gerne zur Steigerung der Gedächtnisleistung und bei Durchblutungsstörungen eingenommen werden, können die Wirkung von blutgerinnungshemmenden Arzneimitteln (z. B. Warfarin, Clopidogrel oder ASS) verstärken. Außerdem werden sie über die Leber ausgeschieden, wodurch es zu stärkeren Nebenwirkungen kommen kann, wenn andere eingenommene Medikamente ebenfalls über die Leber verstoffwechselt werden (z. B. Ibuprofen,  Diclofenac oder Valium).

Keine Pflicht zur Angabe von Wechselwirkungen bei Nahrungsergänzungsmitteln

Informationen zu Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Wirkstoffen können Sie ebenfalls dem Beipackzettel entnehmen. Auch hier gilt das gleiche wie für Nebenwirkungen, nämlich dass Wechselwirkungen auftreten können, im Einzelfall aber nicht auftreten müssen, da nicht jeder Körper gleich arbeitet. 

Es kann also durchaus sein, dass Sie von Wechselwirkungen in der Packungsbeilage lesen, diese aber für Sie gar keine Rolle spielen. 

Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, mögliche Wechselwirkungen zu deklarieren. 

Gemeinhin gelten für Nahrungsergänzungsmittel keine Vorschriften, wie sie bei der Zulassung von Medikamenten gelten. Sie sind also von staatlicher Seite kaum überwacht – auch nicht hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und der Einhaltung von Werbeversprechen. Umso wichtiger ist Ihr eigenes Empfinden.

Sie vermuten einen Zusammenhang, aber sind sich nicht sicher?

Das ist kein Problem, denn:

eine Entscheidung, ob es sich nun um eine Neben- oder Wechselwirkung handelt, müssen Sie nicht fällen. 

Dafür gibt es Experten von Seiten der Hersteller (in der Pharmakovigilanz-Abteilung), die solche gemeldeten Fälle fachkundig analysieren und dann entsprechend bewerten. Dies ist aber nur möglich, wenn Sie, sobald Sie einen Zusammenhang zwischen einer oder mehreren Medikamenteneinnahmen und ihrem physischen oder psychischen Wohlbefinden vermuten, diese mit Ihrem Arzt oder Apotheker besprechen und zeitnah melden.

Melden Sie Ihre Nebenwirkungen!

Ihre Mitarbeit ist wichtig! Selbst Jahre nach der Zulassung sind längst nicht alle Nebenwirkungen bekannt. Wann immer Sie den Verdacht haben, an Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen unter der Einnahme von Medikamenten aller Art zu leiden, sollten Sie diese umgehend melden. Oftmals reichen wenige Meldungen aus, um die Öffentlichkeit über schwere Vorkommnisse zu informieren und Beipackzettel zukünftig zu aktualisieren, wie etwa die Rote-Hand-Briefe wirkungsvoll zeigen.

Über Nebenwirkungen.de haben Sie die einfache und schnelle Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden, ohne dabei Ihre Identität preiszugeben. Zudem können Sie Ihren Arzt oder Apotheker in die Meldung mit einbinden. Mit jeder Meldung tragen Sie aktiv zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei. Davon profitieren auch andere Patienten und sind Ihnen dankbar

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